Die Sorge um einen Energieengpass beschäftigt Mieter wie Vermieter. Wenn daheim kalt bleibt, könnten Mieter den Mietzins mindern.
Krisen wirken sich nicht nur mittelbar oder unmittelbar auf unser Leben aus, sondern bringen in der Regel auch neue Rechtsfragen zum Vorschein. Ähnlich wie bei der COVID-19-Pandemie und deren Auswirkung auf die Bestandzinszahlungsverpflichtung hat sich der Oberste Gerichtshof – soweit ersichtlich – noch nicht mit dem Thema befasst, wenn aufgrund eines generellen Energieliefer-Engpasses Bestandsnehmer nicht heizen können oder über kein Warmwasser verfügen.
Doch dieses Damoklesschwert hängt nun seit einiger Zeit über uns und so stellen sich Mieter und Vermieter die Frage: Wer ist letztlich dafür verantwortlich, wenn die Wohnung nicht heizbar ist? Besteht etwa auch Anspruch auf eine Mietzinsminderung?
Zahlreiche Anrufe am KURIER-Wohntelefon zeigen, dass es hier viele Unklarheiten gibt. Rechtsanwalt Peter Hauswirth bestätigt: „Meine Kanzlei erhält im Zusammenhang mit einem möglichen Gas-Engpass fast gleichermaßen häufig Anfragen von vorausblickenden Vermietern als auch besorgten Mietern.“ Die Sorgen sind mehr oder weniger berechtigt und jedenfalls vielfältig.
Was eine mögliche Mietzinsminderung betrifft, hat sich der Immobilien-Anwalt die Situation im Detail angesehen. Hauswirth: „Die Lage ist nicht sehr eindeutig, denn weder können Vermieter noch Mieter auf die Energielieferung Einfluss nehmen. Weder dem Vermieter wäre ein Blackout vorwerfbar, noch dem Mieter.“ Eine solche Zuordenbarkeit ist aber nicht unbedingt notwendig für die Beurteilung, wie Hauswirth erklärt.
„Man kann bei einem generellen Gas-Engpass, der zu Lieferausfällen führt, nur von einem (außerordentlichen) Zufall sprechen, an dem den Vermieter keinesfalls ein Verschulden trifft. Mietzinsminderungsansprüche stehen dem Mieter aber grundsätzlich nicht nur bei Umständen zu, die in die Sphäre des Vermieters fallen, sondern auch bei Ereignissen, die der neutralen Sphäre zuzurechnen sind.“
Die sogenannte Sphärentheorie hilft bei der Beurteilung, ob trotz eingeschränkter Benutzbarkeit, ein Mietzins zu entrichten ist. Dabei unterscheidet man zwischen der „Sphäre des Vermieters“, der „neutralen Sphäre“ und der „Sphäre des Mieters“ (siehe unten).
Hauswirth konkretisiert: „Die Abgrenzung zwischen den Sphären ist dabei nicht immer eindeutig. Das zufällige Unterbleiben der Gaszufuhr als Folge des allgemeinen Energiemangels über einen längeren Zeitraum ist aus meiner Sicht der neutralen Sphäre zuzuordnen und fällt nicht unter allgemeines Lebensrisiko.“
Deshalb kommt der Experte zu dem Schluss: „Im Falle des kompletten Ausfalls der Heizung im Winter ist sogar eine Mietzinsminderung von bis zu 100 Prozent denkbar.“
Die Mietzinsminderung steht generell zu bei:
Fällt etwas unter die „Sphäre des Vermieters“, steht eine Mietzinsminderung zu. Dazu zählen zum Beispiel: Wasserschaden, Schimmel im Badezimmer; Installationsmängel oder Blei im Trinkwasser.
Zur „Sphäre des Mieters“ hingegen zählen etwa eine selbstverschuldete Stromsperre; Beschädigung durch Haustier oder individuelle Quarantänemaßnahmen. Bei solchen Problemen bleibt der Mieter auf den Kosten und der Miete sitzen.
Vieles fällt hingegen in die „Neutrale Sphäre“, wo die Lage weniger eindeutig ist. Liegt etwas außerhalb des Einflussbereiches von Vermieter und Mieter – wie etwa eine längere Großbaustelle – besteht Anspruch auf eine Mietzinsminderung.
Ausnahmen bilden Fälle von „allgemeinem Lebensrisiko“. Das können sein: Gerüche, deren Ursache nicht feststellbar ist, oder gelegentliche Baumaßnahmen. Hier hat der Mieter keinen Anspruch auf Reduktion.