Villen im Salzkammergut: Die neue Architektur der Sommerfrische

Wie die Sommerhäuser des Salzkammerguts ihre Tradition bewahren und trotzdem modern wirken.

Die Geschichte der Sommerfrische wieder aufleben zu lassen – das wünschte sich Elisabeth Senger-Weiss, als sie die Villa Orleans in Attersee 2016 übernahm. Sie benannte das Gebäude in Villa Weiss um und machte daraus ein familiäres Boutique-Hotel mit großzügigen Gesellschaftsräumen – ganz so wie es früher war. „Ich war schon als Kind hier und genoss die vielen schönen Lesungen und Konzerte, die regelmäßig veranstaltet wurden“, sagt sie.

Villa Weiss

Aus Brasilien reiste Prinz Don Pedro von Orléans de Brangança mit seiner Gefolgschaft jedes Jahr an den Attersee, um in der Villa Orleans  (im Ort Attersee) seine Sommer zu verbringen. In dem als Jagdhaus gedachten Gebäude, das 1926 erbaut wurde, sprach man französisch und lud zu kaiserlichen Jagden ins Höllengebirge.
 

Villa Weiss

Ganz so beschwerlich ist die Anreise heute nicht mehr, wenn gleich die Gäste ähnlich international sind wie damals: Elisabeth Senger-Weiss übernahm das Jagdhaus 2016, modernisierte gemeinsam mit dem befreundeten Architekten Jürgen Kitzmüller die bestehenden Zimmer und öffnete die alten Gesellschaftsräume im Erdgeschoß wieder. Nun heißt das Gebäude Villa Weiss.

Villa Weiss

In den großzügigen Gesellschaftsräumen der Villa Weiss finden heute wieder Veranstaltungen statt wie Charity-Abende und Konzerte.

Auch auf der anderen Seite des Attersees, in Steinbach, wird die Kultur der Sommerfrische neu gedacht. Gina Brandlmayr, die viele Jahre in der Kunstszene in Wien, Paris und New York verbrachte, kehrte 2012 in ihre Heimat zurück und übernahm den 500 Jahre alten Bauernhof ihrer Eltern samt Gästezimmern. Die mit Teppichböden und dunklem Holz in die Jahre gekommene Unterkunft wurde modernisiert und trägt nun den Namen Pension Hanslmann. „Bei uns ist es beinahe urban. Wir sind trachtenfrei – das schätzt ein bestimmtes Publikum“, sagt Gina Brandlmayr.

Hanslmann/Alexi Pelekanos

Seit 500 Jahren ist der Bauernhof in Steinbach am Attersee im Besitz der Familie. Doch erst spät entschied sich Gina Brandlmayr, die es in der Kunstszene nach Wien, New York und Paris verschlug, das Anwesen samt Almhütte, Gästezimmer und Badeplatz  von ihren Eltern zu übernehmen. 2012 sperrte sie ihre „Pension Hanslmann“ in Steinbach zum ersten Mal auf.

Hanslmann/Alexi Pelekanos

Die Renovierung der Pension geschieht schrittweise. „Wir versuchen, mit einfachen, aber gestalterisch effektiven Mitteln die Gastfreundschaft hochleben lassen,“ sagt Architekt  Christian Neureiter von SNP Architektur.  

Hitze, Klimawandel: Urlaub in Österreich ist wieder populär geworden. Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah – scheint derzeit als Motto zu gelten. Schön ist, dass dieser Trend an eine lange Tradition anschließt, die besonders im Salzkammergut um die Jahrhundertwende eine Hochblüte erlebte. Heute besteht die Kunst darin, das Althergebrachte behutsam in eine neue Zeit zu überführen.

Neuinterpretation einer Tradition

Besonders herausfordernd ist das beim Bauen: Wie passen neue Gebäude in die gewachsene Kulturlandschaft? Und wie werden die vielen alten Villen erhalten und modernisiert, die einst von berühmten Sommergästen bewohnt wurden? „Das ist gar nicht so einfach und man muss wissen, was genau den Charakter eines Gebäudes und eines Ortes ausmacht,“ so Thomas Kopfsguter, Architekt (planorama) und Ortsbildsachverständiger von Bad Aussee.

Planorama

Das Hotel Kohlbacherhof in Altaussee war schon verfallen, als es eine englische Familie vor mehreren Jahren erwarb und vom Architekturbüro planorama als Ferienresidenz umbauen ließ. Der Anspruch  war, den Charakter des Ausseer Stils zu bewahren.

Planorama

Die Außenhaut der Gebäude  wurde saniert und die Fassade  nach allen Regeln traditioneller Holzbaukunst verkleidet. Das Innere mit 1.600 Quadratmeter Nutzfläche  wurde ausgehöhlt. „Wir haben großzügige Wohn- und Schlafräume, eine Jagdstube, Gästezimmer und einen Wellnessbereich“, sagt   Thomas Kopfsguter von planorama.

Mit dem Einzug des Kaisers 1848 in Bad Ischl, der wegen der Jagd seine Sommerresidenz in der Kaiservilla einrichtete, siedelten sich in den Folgejahren Adelige und deren Gefolgschaft aus ganz Europa in der Region an. Nach und nach entstanden Sommerbäder in Weißenbach am Attersee und in Strobl am Wolfgangsee. „Anfangs hatten die Sommergäste lieber Häuser am Hang als am See. Man wollte zum Wasser hinunter schauen und nicht in der Sonne sein“, sagt Historikerin Marie-Therese Arnbom, die schon mehrere Bücher über die Villen an den Salzkammergut-Seen schrieb.

Arnbom

Die Villa wurde 1896 von Architekt Oskar Marmorek erbaut, der in der Gegend viele Sommerresidenzen entwarf. Bekannt wurde er durch den Entwurf des Nestroy-Hofs und des Rüdiger Hofs in Wien.

Arnbom

1877 am Attersee errichtet, wurde das Haus bekannt, weil der Maler Gustav Klimt hier viele Sommer verbrachte. Heute werden Privatzimmer vermietet.

Arnbom

Am Traunsee ließ sich der europäische Hochadel nieder. Das im neugotischen Tudorstil geplante Schloss gehörte den Welfen.

Arnbom

Die Villa Leon befand sich ursprünglich im Besitz des Autors Victor Léon. Kürzlich erwarb es ein Wiener Anwalt und sanierte es vorbildlich.

Arnbom

Die Großbürger- und Intellektuellenfamilie Herz-Kestranek ließ die Villa 1907 in St. Gilgen errichten. Sie wurde auch von Arthur Schnitzler gerne besucht. 

Dabei zog jedes Gewässer sein Publikum an: Am Traunsee residierte der europäische Hochadel samt hundertköpfiger Gefolgschaft ab. Der Attersee hingegen war bei Künstlern und Intellektuellen sehr beliebt. Und das Ausseer Land war von der Aristokratie und dem Großbürgertum bevölkert. Arnbom: „Ganze Familienclans oder Freundesgruppen ließen sich an einem bestimmten Ort nieder.“

Kurier Grafik

Der Stil der Villen wurde dabei am Reißbrett entworfen: Architekt Heinrich Ferstl wurde in den 1850er Jahre vom Kaiser auf eine Forschungsreise quer durch Europa entsandt, um sich Inspiration zu holen. Seine erste Villensiedlung, die Stilelemente aus Norddeutschland und der Schweiz enthielt, wurde in den Cottagevierteln in Wien am Reißbrett erbaut. Diese Form der Architektur kam später ins Salzkammergut. Die Innenräume waren eher spartanisch gehalten, dafür war die überdachte Veranda der Sommervillen das wichtigste gestalterische Element. Die Bewohner sollten auch bei schlechter Witterung die frische Luft der Alpen genießen konnten. Denn genau das war einer der Gründe, warum die Sommer am Land verbracht wurden: die schlechte Luft der Städte, die nach Kanal stank und Tuberkulose brachte.

Luger & Maul/Walter Ebenhofer

Das Architekturbüro Luger & Maul plante 2017 das „Badehaus B.“ am Ufer des Mondsees.

Lukas Maul

Der Eigentümer ließ nun auch das davor liegende Bootshaus sanieren. „Wir gingen bei der Planung sehr sensibel vor, weil das Gebäude im Naturschutzgebiet liegt“, sagt Architektin Catharina Maul, die den Umbau gemeinsam mit Luger & Maul realisierte. Entstanden ist ein Holzbau mit Sonnenterrasse zum See.

Die Außenräume sind auch heute noch zentral in der Planung von neuen Gebäuden in der Region – wenn gleich aus ganz anderen Gründen. Die Architektur soll den Blick zum Wasser oder den Bergen ermöglichen. Das berücksichtigte auch Catharina Maul, als sie gemeinsam mit dem Welser Architekturbüro Luger & Maul ein Bootshaus aus den 1950er Jahren am Mondsee sanierte. Sie ergänzte den Bestand um eine westlich ausgerichtete Badeplattform, die einen Blick auf den Ort Mondsee ermöglicht. Am Dach gibt es zudem eine Sonnenterrasse. „Die Bauphase war herausfordernd, weil wir über den Seeweg bauen mussten“, erzählt Catharina Maul.

2017 errichtete ihr Vater Franz Maul für den gleichen Eigentümer ein hinter dem Bootshaus liegendes Badehaus. Das Grundstück ist in Hanglage, deshalb wurde das Haus auf das Niveau des Uferstreifens gesetzt. „Wir haben immer im Verständnis der Klassischen Moderne und einer zeitlosen Formensprache unsere Bauwerke entwickelt. Unsere Architektur ist nicht vordergründig modern. Sie versucht in Form und Materialität den gestellten Anforderungen und dem Ort zu entsprechen“ sagt Franz Maul. „Bauen ist immer ein Kontrapunkt zur Natur und sollte nie zum Nachteil eines Ortes geschehen.“

F2 Architekten

Die bestehende Größe besser zu nutzen – das war der Anspruch der aus Oberösterreich stammenden Besitzer eines alten Ferienhauses am Mondsee.  Das Architekturbüro F2 setzte diesen Wunsch um, indem seitlich zum Wohn- und Essbereich zwei getrennte „Schlafzellen“ plante.

F2 Achitekten

Nach der Neugestaltung können sich nun zwei Familien gleichzeitig im Haus aufhalten. „Auch wenn beide im Seehaus sind, hat jede Familie eine Rückzugsmöglichkeit“, sagt Christian Frömel von F2 Architekten. Das neue Gebäude erinnert an einen Seepavillon, weil es rundherum überdacht ist.

Auch die Sanierung der historischen Villen gelingt unterschiedlich gut: während manche Gebäude „kaputt saniert werden“, wie Franz Maul das ausdrückt, schaffen es andere Bauherrn, den Charme des Alten zu erhalten.

Die Villen waren beispielsweise weiß oder hell gelb gestrichen. Farbe brachten die Blumen am Balkon und im Garten. „Wenn heute die Häuser blitzblau gestrichen werden, passt das einfach nicht in die Gegend“ sagt Historikerin Marie-Therese Arnbom.

Die Fassaden waren niemals glatt, sondern mit kleinen Steinen verputzt. Und die Mauern hatten keine rechten Winkeln, sondern eine mit einer Bierflasche hergestellte Hohlkehle. Arnbom: „Beim Sanieren braucht es Handwerker, die das noch können.“

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