Wie die Sommerhäuser des Salzkammerguts ihre Tradition bewahren und trotzdem modern wirken.
Die Geschichte der Sommerfrische wieder aufleben zu lassen – das wünschte sich Elisabeth Senger-Weiss, als sie die Villa Orleans in Attersee 2016 übernahm. Sie benannte das Gebäude in Villa Weiss um und machte daraus ein familiäres Boutique-Hotel mit großzügigen Gesellschaftsräumen – ganz so wie es früher war. „Ich war schon als Kind hier und genoss die vielen schönen Lesungen und Konzerte, die regelmäßig veranstaltet wurden“, sagt sie.
Auch auf der anderen Seite des Attersees, in Steinbach, wird die Kultur der Sommerfrische neu gedacht. Gina Brandlmayr, die viele Jahre in der Kunstszene in Wien, Paris und New York verbrachte, kehrte 2012 in ihre Heimat zurück und übernahm den 500 Jahre alten Bauernhof ihrer Eltern samt Gästezimmern. Die mit Teppichböden und dunklem Holz in die Jahre gekommene Unterkunft wurde modernisiert und trägt nun den Namen Pension Hanslmann. „Bei uns ist es beinahe urban. Wir sind trachtenfrei – das schätzt ein bestimmtes Publikum“, sagt Gina Brandlmayr.
Hitze, Klimawandel: Urlaub in Österreich ist wieder populär geworden. Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah – scheint derzeit als Motto zu gelten. Schön ist, dass dieser Trend an eine lange Tradition anschließt, die besonders im Salzkammergut um die Jahrhundertwende eine Hochblüte erlebte. Heute besteht die Kunst darin, das Althergebrachte behutsam in eine neue Zeit zu überführen.
Neuinterpretation einer Tradition
Besonders herausfordernd ist das beim Bauen: Wie passen neue Gebäude in die gewachsene Kulturlandschaft? Und wie werden die vielen alten Villen erhalten und modernisiert, die einst von berühmten Sommergästen bewohnt wurden? „Das ist gar nicht so einfach und man muss wissen, was genau den Charakter eines Gebäudes und eines Ortes ausmacht,“ so Thomas Kopfsguter, Architekt (planorama) und Ortsbildsachverständiger von Bad Aussee.
Mit dem Einzug des Kaisers 1848 in Bad Ischl, der wegen der Jagd seine Sommerresidenz in der Kaiservilla einrichtete, siedelten sich in den Folgejahren Adelige und deren Gefolgschaft aus ganz Europa in der Region an. Nach und nach entstanden Sommerbäder in Weißenbach am Attersee und in Strobl am Wolfgangsee. „Anfangs hatten die Sommergäste lieber Häuser am Hang als am See. Man wollte zum Wasser hinunter schauen und nicht in der Sonne sein“, sagt Historikerin Marie-Therese Arnbom, die schon mehrere Bücher über die Villen an den Salzkammergut-Seen schrieb.
Dabei zog jedes Gewässer sein Publikum an: Am Traunsee residierte der europäische Hochadel samt hundertköpfiger Gefolgschaft ab. Der Attersee hingegen war bei Künstlern und Intellektuellen sehr beliebt. Und das Ausseer Land war von der Aristokratie und dem Großbürgertum bevölkert. Arnbom: „Ganze Familienclans oder Freundesgruppen ließen sich an einem bestimmten Ort nieder.“
Der Stil der Villen wurde dabei am Reißbrett entworfen: Architekt Heinrich Ferstl wurde in den 1850er Jahre vom Kaiser auf eine Forschungsreise quer durch Europa entsandt, um sich Inspiration zu holen. Seine erste Villensiedlung, die Stilelemente aus Norddeutschland und der Schweiz enthielt, wurde in den Cottagevierteln in Wien am Reißbrett erbaut. Diese Form der Architektur kam später ins Salzkammergut. Die Innenräume waren eher spartanisch gehalten, dafür war die überdachte Veranda der Sommervillen das wichtigste gestalterische Element. Die Bewohner sollten auch bei schlechter Witterung die frische Luft der Alpen genießen konnten. Denn genau das war einer der Gründe, warum die Sommer am Land verbracht wurden: die schlechte Luft der Städte, die nach Kanal stank und Tuberkulose brachte.
Die Außenräume sind auch heute noch zentral in der Planung von neuen Gebäuden in der Region – wenn gleich aus ganz anderen Gründen. Die Architektur soll den Blick zum Wasser oder den Bergen ermöglichen. Das berücksichtigte auch Catharina Maul, als sie gemeinsam mit dem Welser Architekturbüro Luger & Maul ein Bootshaus aus den 1950er Jahren am Mondsee sanierte. Sie ergänzte den Bestand um eine westlich ausgerichtete Badeplattform, die einen Blick auf den Ort Mondsee ermöglicht. Am Dach gibt es zudem eine Sonnenterrasse. „Die Bauphase war herausfordernd, weil wir über den Seeweg bauen mussten“, erzählt Catharina Maul.
2017 errichtete ihr Vater Franz Maul für den gleichen Eigentümer ein hinter dem Bootshaus liegendes Badehaus. Das Grundstück ist in Hanglage, deshalb wurde das Haus auf das Niveau des Uferstreifens gesetzt. „Wir haben immer im Verständnis der Klassischen Moderne und einer zeitlosen Formensprache unsere Bauwerke entwickelt. Unsere Architektur ist nicht vordergründig modern. Sie versucht in Form und Materialität den gestellten Anforderungen und dem Ort zu entsprechen“ sagt Franz Maul. „Bauen ist immer ein Kontrapunkt zur Natur und sollte nie zum Nachteil eines Ortes geschehen.“
Auch die Sanierung der historischen Villen gelingt unterschiedlich gut: während manche Gebäude „kaputt saniert werden“, wie Franz Maul das ausdrückt, schaffen es andere Bauherrn, den Charme des Alten zu erhalten.
Die Villen waren beispielsweise weiß oder hell gelb gestrichen. Farbe brachten die Blumen am Balkon und im Garten. „Wenn heute die Häuser blitzblau gestrichen werden, passt das einfach nicht in die Gegend“ sagt Historikerin Marie-Therese Arnbom.
Die Fassaden waren niemals glatt, sondern mit kleinen Steinen verputzt. Und die Mauern hatten keine rechten Winkeln, sondern eine mit einer Bierflasche hergestellte Hohlkehle. Arnbom: „Beim Sanieren braucht es Handwerker, die das noch können.“