Über die Kunst des Weglassens: Interior-Expertin und Ordnungs-Coach geben Tipps zum Wohnen im Minimalismus.
Durch riesige Industriefenster strömt von allen Seiten Licht in das Loft Z13 in der Zollergasse im siebenten Bezirk in Wien. Auf den 350 m2 Wohnfläche ist das Tageslicht der Hauptdarsteller, zaubert es doch zu jeder Zeit andere Stimmung im Raum. Schränke sucht man hier vergeblich, doch Stauraum verbirgt sich in den einheitlich in Beige gestalteten Wänden. Hochwertige Materialien, die mit dem Licht interagieren, sorgen trotz totaler Reduktion für Wärme. Einzelne Kunstobjekte bieten Abwechslung, und rund um eine große Feuerstelle lädt ein Ledersofa zum Verweilen ein.
Seit Kurzem steht das luxuriöse Appartement für Events und Drehs zur Verfügung (Infos: www.loftz13.com). Der italienische Architekt Vincenzo De Cotiis schuf hier ein Interiorkonzept, das moderne Ästhetik nahtlos mit dem historischen Erbe des Gebäudes verbindet. Und auch einen Trend widerspiegelt: puren Minimalismus. In der Architektur, Kunst, Mode und eben auch beim Einrichten ist dieser jetzt angesagt. Dabei handelt es sich freilich weniger um einen Trend, als um eine Lebenseinstellung.
Minimalismus bedeutet ganz simpel: Die Befreiung von Ballast, eine Kunst des Weglassens. Und die Besinnung auf das Wesentliche, abseits von Konsum und Kaufen. Lebenskonzepte dazu beziehen sich auf alle Bereiche des Lebens und zielen darauf ab, mit weniger Materiellem mehr Glück und Zufriedenheit zu schaffen. Die Prinzipien des Minimalismus gibt es dabei schon viel länger als seinen Namen. Er lässt sich auch nicht auf eine Epoche eingrenzen, sondern ist vielmehr ein Stil, der sich immer weiterentwickelt. Designlegenden von Mies van der Rohe bis Jasper Morrison stellten das Wesentliche in den Mittelpunkt.
Silent Luxury Living: Lieber hochwertige Materialien und Möbel, statt zu viel von allem
„In Bezug auf Wohnen heißt Minimalismus: klare Formen, zurückhaltende Farben, viel Platz und wenig Deko“, erklärt Innenarchitektin Yvonne Meindl-Cavar, Gründerin von Schönstil. „Durch unterschiedliche Strukturen, warme Farben, hochwertige Oberflächen und geordnete Dekoration wird es dennoch wohnlich.“ Ordnung durch regelmäßiges Aufräumen ist zudem Pflicht. Doch keine Sorge: „Wer weniger besitzt, kann auch leichter für Ordnung sorgen“, erklärt Aufräum-Spezialistin Desiree Schweiger (simplyorganized.at).
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Die Reduktion sorgt für mehr Platz zuhause und hilft langfristig zu sparen. Vor allem aber sorgt sie für Leichtigkeit im Denken. So erklärt Wohnpsychologin Barbara Perfahl: „Wir fühlen uns am wohlsten, wenn nicht zu viel, aber auch nicht zu wenige Reize auf uns einwirken.“ Wer eine Wohnung neu bezieht, sorgt für Minimalismus durch versteckte Stauräume und lässt Überflüssiges gleich draußen. Im bereits bestehenden Wohnraum warten jedoch einige Aufgaben.
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Die besten Tipps und Tricks zum minimalistischen Wohnen:
Tipp 1: Reduzieren. Bevor es um Designentscheidungen geht, wird aussortiert. „Am besten Raum für Raum angehen. Meist ist die Küche ein Sammelsurium an Zeugs. Angeschlagene Häferl oder doppelte Knoblauchpressen verstopfen Laden “, so Desiree Schweiger. Im Kleiderschrank wird das Ausmisten emotional: „Wir hängen oft an Kleidungsstücken, die nicht mehr getragen werden. Weg mit den Schrankleichen! Lieber ein gutes Foto von sich in dem Stück aufbewahren. Das gilt übrigens auch für Hochzeitskleider.“
Tipp 2: Ordnen. Ist der emotionale Teil geschafft, müssen die verbliebenen Dinge geordnet werden. „In Boxen, Körben oder Schüsseln, je nachdem was passt. Auch da macht es Sinn, zusammenpassende Behälter zu wählen, um Ruhe reinzubringen“, rät die Ordnungs-Expertin. Regelmäßiges Saubermachen fällt dann leicht.
Tipp 3: Stauraum schaffen. Kompletter Verzicht ist schwierig, für Familien kaum umsetzbar. Das Notwendige muss also gut verräumt werden, so Interior-Expertin Meindl-Cavar: „Bei minimalistischer Einrichtung kommt man nicht ohne Stauraum aus. Dieser sollte sinnvoll genutzt werden. Wenn die Laden und Schränke vollgestopft sind, erreicht man das zufriedenstellende Gefühl nicht, um das es bei der Bewegung geht.“
Tipp 4: Klare Formen. Minimalistische Stücke zeichnen sich durch ihre geraden Linien ohne Verschnörkelungen aus. „Lieber durch unterschiedliche Textilien haptische Reize schaffen und somit Wärme erzeugen.“
Tipp 5: Freie Räume zelebrieren. „Ein leerer Regalboden ist für viele schwer zu ertragen. Der erste Impuls ist, etwas hinzustellen. Ich rate aber dazu, die Leere auszuhalten und die Großzügigkeit wirken zu lassen“, so Schweiger. Die freien Flächen lassen auch kleine Räume größer wirken und sind für den Minimalismus unabdinglich. Farbige oder tapezierte Wände brauchen nicht zwingend noch Bilder.
Tipp 6: Deko im Rahmen. Keinesfalls bedeutet Minimalismus aber den Verzicht auf Deko. Dies sollte aber bewusst eingesetzt werden. Meindl-Cavar: „Achten Sie auf eine Gemeinsamkeit. Die Bildergalerie wirkt in einheitlichen Rahmen und im selben Farbschema harmonisch. Pflanzen sehen toll aus, wenn die Blumentöpfe in derselben Farbfamilie sind. Deko-Elemente immer in ungerader Zahl anordnen – zum Beispiel sorgen drei Vasen oder fünf Figuren für ein harmonisches Gesamtbild. Und: Geben sie den Dingen einen Rahmen. Wie ein Teppich gewisse Wohnbereiche begrenzt, sorgt etwa ein Tablett mit Kerzen für Ordnung.“
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Tipp 7: Ruhe im Bad. In vielen Fällen steht im Bad auch die Waschmaschine, zahlreiche Tuben und Flaschen sorgen für ein unordentliches Bild. Schweigers Tipp: „Auch hier hilft es, die notwendigen Flüssigkeiten umzufüllen in einheitliche und hübsche Gefäße. Ob Shampoo oder Waschmittel.“
Tipp 8: Qualität vor Quantität. Der Minimalismus ist auch im Sinne des Klimaschutzes wertvoll. „Lieber weniger und dafür bewusster konsumieren“, rät die Interior-Expertin. „Investieren Sie in zeitloses Design, gutes Handwerk und Klassiker, statt viele Varianten von etwas zu besitzen und immer wieder wegzuwerfen. Das schont zudem die Geldbörse und die Umwelt.“