Der Anteil an Patchworkfamilien steigt stetig. Das kann manchmal kompliziert sein. Wenn es um den gemeinsamen Erwerb von Immobilien und später ums Erben geht, ist Planung sinnvoll.
Der Satz: „Bis dass der Tod uns scheidet“ trifft immer seltener auf die erste Ehe zu. Im Jahr 2021 wurden 14.510 Ehen geschieden, davon betroffen waren fast 12.000 Kinder unter 18 Jahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Geschiedenen danach wieder eine langfristige Partnerschaft oder gar Ehe eingehen, ist sehr groß. Bringt zumindest einer der Ehepartner Kinder in die neue Beziehung mit, spricht man von einer Patchworkfamilie. Darunter fallen derzeit 8,2 Prozent aller Familien in Österreich. Also lebt etwa jede zwölfte Familie hierzulande im Patchwork-System, Tendenz steigend. Größtenteils funktionieren die „zusammengewürfelten“ Familien bestens, doch wenn es um den Nachlass geht, stellen Patchwork-Familien eine Herausforderung dar.
Das weiß Rechtsanwältin Katharina-Braun: „Fälle von Erbstreitigkeiten häufen sich und besonders häufig sind Patchworkfamilien betroffen. Da kann es zu sehr emotionalen Szenen kommen. Von Kränkungen und Verletzungen des Selbstwerts bis zu existenziellen Fragen ist alles dabei.“ Darum rät die Expertin: „Dass man sich rechtzeitig mit dem Nachlass auseinandersetzen und bei Neuanschaffungen Belege sichern soll.“ Damit es am Ende dann zu keinen Ungerechtigkeiten kommt.
„Das österreichische Erbrecht ist noch immer auf die traditionelle Kernfamilie ausgerichtet“, sagt Braun. Der bestehende Ehemann oder die Ehefrau erbt ein Drittel des Vermögens. Die eigenen Kinder – unabhängig davon, aus welcher Ehe – erben gemeinsam zwei Drittel. Stiefkinder gehen leer aus. Wer etwas anderes möchte, muss ein Testament aufsetzen, aber selbst dann ist der Handlungsspielraum begrenzt. „Meinen Kindern oder der neuen Frau testamentarisch einfach das gesamte Vermögen zu vermachen, ist nicht möglich“, so die Expertin.
Immobilienerwerb in Partnerschaft und Ehe im Patchworksystem?
Schon beim Kauf einer Immobilie sollte man an spätere Stolpersteine denken. Wer ohne Trauschein eine Liegenschaft gemeinsam erwerben will, dem rät Braun zu einem Partnerschaftsvertrag. „Darin soll festgehalten werden, wie und von wem die finanziellen Mittel aufgebracht wurden. Für den Fall einer Trennung muss klar sein, wer in der Wohnung verbleiben darf und wie viel der andere bekommt. Für die Rechtswirksamkeit ist eine notarielle Beglaubigung wichtig.“
Hat das neue Paar geheiratet, ergeben sich die Ansprüche. „Viele glauben, dass sie in einer Ehe nur dann einen Anspruch auf eine Liegenschaft hätten, wenn sie im Grundbuch stehen, doch das stimmt nicht. Wurde die Immobilie mit dem während der Ehe erzieltem Einkommen bezahlt (auch wenn der Verdienst von nur einem Partner kam), ist die Liegenschaft zu teilen.“ Ausgenommen wären Gelder aus Erbschaften, Schenkungen oder voreheliches Vermögen, wobei dieser Geldfluss nachverfolgbar sein muss.
Was ist zu tun, damit der Ehegatte in der Ehewohnung bleiben kann und nicht weichen muss, wenn die Kinder aus der früheren Beziehung dies von ihm verlangen?
Verstirbt der Partner, erben dessen Kinder zwei Drittel und der überlebende Partner ein Drittel. Das ist die gesetzliche Regelung, wenn es kein Testament und keinen Erbvertrag gibt. Deshalb rät Braun: „Hier muss ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnrecht vereinbart werden.“
Erbt der Lebensgefährte auch ohne Trauschein?
Lebensgefährten haben generell kein Erbrecht, außer es gibt keine anderen gesetzlichen Erben. Deshalb rät die Expertin: „Hier ist ein Testament besonders wichtig, denn ohne dem würde der Lebensgefährte leer ausgehen.“ Der zuvor beschriebene Pflichtteil des Ehepartners und der eigenen Kinder lässt sich auch testamentarisch nicht ausschließen, sondern nur auf die Hälfte beschränken – also auf ein Sechstel für den hinterbliebenen Ehepartner, ein Drittel für den eigenen Nachwuchs.
Was tun, wenn man nicht will, dass ein Kind etwas erbt?
Es kommt auch vor, dass Paare mit Kindern aus erster Ehe von ihnen entfremdet leben und deshalb ein Erbe verhindern wollen. Das wird aber kompliziert, weiß die Expertin: „Das Pflichtteilsrecht kann nicht umgangen werden. Und eine Enterbung setzt ein massives schuldhaftes Verhalten des Enterbten voraus, weshalb pauschale Enterbungen in Notariatsakten meist auch nicht halten.“ Allerdings ist eine Pflichtteilsminderung möglich, unter bestimmten Voraussetzungen: „Wenn zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten zu keiner Zeit ein Naheverhältnis bestand und der Kontaktabbruch vom Kind ausging. Reine Gleichgültigkeit des Erblassers ist kein Grund. Wobei es hier auf die individuelle Situation ankommt“, erklärt Braun.
Sind Stiefkinder erbberechtigt?
Wer möchte, dass die Stiefkinder gleichberechtigt mit den leiblichen Kindern bedacht werden, sollte an Adoption denken, so Braun. „Bringt ein Partner nicht nur Kinder, sondern auch Liegenschaften mit, so könnte man sich auch behelfen, dass der Ehepartner einen Pflichtteilsverzicht abgibt und der einbringende Ehepartner letztwillig verfügt, dass diese Liegenschaften eben an die Kinder vererbt werden und der Ehepartner erhält lediglich ein lebenslanges Wohnrecht.“
Was muss beim Testament beachtet werden?
Braun: „Für die Rechtswirksamkeit eines Testaments gelten strenge Formvorschriften: Neben Datum und Unterschrift sind das drei Zeugen, welche geschäftsfähig, aber nicht selbst erbberechtigt sein dürfen.“ Allgemein legt die Expertin nahe: „Wer seine Familie liebt, sorgt für den Trennungs- oder Todesfall vor. Über alle Wünsche für danach sollte vorab sachlich gesprochen werden.“