Neues Leben auf den Einkaufsstraßen

Im Wettbewerb mit dem Online-Handel haben sich viele stationäre Händler neue Konzepte überlegt – mit Erfolg.

Rote Schuhsohlen und hohe Absätze sind das Markenzeichen von Christian Louboutin. Der französische Schuh- und Taschendesigner gründete 1992 seine erste Boutique in Paris. Demnächst eröffnet das zum internationalen Luxuskonzern gewachsene Unternehmen einen Shop in der Wiener Innenstadt. Im Frühjahr 2020 wird Christian Loubountin auf der Tuchlauben ein 300 Quadratmeter großes Geschäft beziehen.

Nach schwierigen Jahren für den stationären Einzelhandel – Stichwort online – sind die Aussichten nun wieder optimistischer. Viele Einzelhändler haben neue Konzepte umgesetzt und locken durch Zusatzangebote und extra Dienstleistungen wieder mehr Kunden in ihre Geschäfte. „Der Einzelhandel und die Immobilienbetreiber haben den Onlineschock überwunden“, sagt Mario Schwaiger, Einzelhandelsspezialist bei EHL, „der Markt hat seine Talsohle definitiv durchschritten.“

Kurier Grafik

Allerdings kamen 2019 – zumindest in Wien – auch keine neuen Verkaufsflächen dazu. Insgesamt sinken die Flächen sogar. Hier die wichtigsten fünf Trends für Einzelhandelsimmobilien:

1. Rückeroberung der Straße.

Obwohl es beim Umbau der Wiener Mariahilfer Straße zur Fußgängerzone 2013 zu sehr negativen Reaktionen der ansässigen Händler kam, ist die größte Einkaufsstraße Österreichs – an Samstagen besuchen sie mehr als 70.000 Menschen – der begehrteste Standort für internationale Marken (siehe Tabelle rechts). Der Grund: Die Frequenzzahlen steigen.

Mittlerweile gelten Fußgängerzonen als Zukunftsmodell für den stationären Handel. EHL-Einzelhandelsexperte Mario Schwaiger: „Auch kleinere Einkaufsstraßen müssen hin zu Begegnungszonen. Damit wird Flair geschaffen.“

2. Essen ist das neue Shoppen.

Laut einer Studie des Beratungsunternehmens Regio Plan fließt in Österreich ein immer größerer Teil der Konsumausgaben in die Gastronomie. Derzeit werden im ganzen Land deswegen rund 400 Standorte für neue Gastro-Angebote gesucht. Vor allem international tätige Systemgastronomen wie wie der US-Pizza-Konzern Dominos, die deutsche Salat-Fast-Food-Kette dean & david oder die Burger-Griller Peter Pane suchen derzeit neue Restaurants.

Damit verändert sich die Struktur bestehender Einkaufsstraßen und Shoppingcenter: Während international in Einkaufszentren der Flächenanteil von Gastro-Betrieben zwischen 15 und 20 Prozent liegt, ist er in Österreich bei sechs Prozent. Sprich: es gibt noch Luft nach oben.

3. Konzept, Konzept, Konzept.

Das Credo „Lage, Lage, Lage“ wird zunehmend von „Konzept, Konzept, Konzept“ abgelöst. Viele Einzelhändler haben sich deswegen in den vergangenen Jahren neue Ideen ausgedacht und locken mit Zusatzangeboten, extra Dienstleistungen und einer Verzahnung von Online-Offline-Verkauf Kundschaft in ihre Geschäfte. Ein Beispiel: Der Flagshipstore von H&M auf der Mariahilfer Straße bietet seit kurzem ein Nähservice an.

Auch Marken, die bislang stark im Online-Handel tätig waren, suchen oft so etwas wie ein Schaufenster für ihre Produkte. So eröffnet die deutsche Lifestyle-Marke Kapten & Son dieser Tage einen Shop in der Wiener Neubaugasse.

Und immer häufiger werden klassische Einzelhandelsflächen an Nicht-Einzelhandelsbetriebe vergeben. Beispielsweise wurde die Hälfte der Erweiterungsfläche des Wiener Einkaufszentrums Auhofcenter an keine Einzelhändler vergeben. So findet sich dort nun auf 2.000 Quadratmeter der spektakuläre Indoor-Action-Spielplatz „Tiger‘s World“.

4. Gefragt: Sport, Kosmetik, Möbel.

Die höchsten Umsatzzuwächse im Einzelhandel gab es im ersten Halbjahr 2019 in den Branchen Kosmetik, Möbel und Sport. Alleine der Sporthandel wuchs um 1,9 Prozent. Die höhere Nachfrage spiegelt sich auch im stationären Handel: So hat der französische Sportartikelkonzern Decathlon in der SCS eine Filiale aufgemacht und das britische Unternehmen JD Sports auf der Mariahilfer Straße einen Shop eröffnet. „Wir summieren diesen Trend unter dem Greta-Effekt: Gesundheit, Nachhaltigkeits- und Bioangebote sind stark nachgefragt“, so Mario Schwaiger von EHL.

In der Möbelbranche wird bekanntlich der schwedische Möbelriese Ikea einen großen Standort in Wien aufsperren: Am Westbahnhof entstehen auf sieben Stockwerken (plus ein Kellergeschoß) von jeweils rund 3.000 Quadratmetern neue Verkaufsflächen. Geplant ist, noch 2019 mit den Bauarbeiten zu beginnen, die Eröffnung ist für 2021 geplant.

5. Top-Lagen bleiben top.

Neben der Mariahilfer Straße sind die Top-Standorte in der Inneren Stadt wie Kohlmarkt, Graben und Kärntner Straßen für Einzelhändler heiß begehrt. „Die Mieten sind punktuell und vor allem in schwächeren Standorten unter Druck gekommen, aber einen Rückgang auf breiter Front gibt es genauso wenig wie großflächige Leerstände,“ so Mario Schwaiger.

Der Grund für die gute Nachfrage in der Innenstadt: der Tourismus. „Wien ist eine begehrte internationale Einkaufsstadt und bei Händlern sehr beliebt. Die Innere Stadt profitiert weiterhin vom starken Tourismus, zunehmend vor allem aus dem asiatischen Bereich, wodurch das Luxussegment boomt“, erklärt Eva Jost, Einzelhandelsexpertin bei ÖRAG.

Nach wie vor ist der Kohlmarkt mit bis zu 400 Euro Miete pro Quadratmeter die beste Adresse und zählt damit zu den weltweit zehn teuersten Shoppingmeilen. In etwas abgelegenen Straßenzügen wie der Wollzeile geraten die Mieten bei Nachverhandlungen aber schnell unter Druck. Von der Umwandlung in eine Fußgängerzone dürfte die Rotenturmstraße bereits profitiert haben: die Anzahl der abgeschlossenen, neuen Mietverträge lag im Spitzenfeld.

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