Nach Jahren des Booms: Wohnimmobilienmarkt bricht ein

Die Immobilienwirtschaft kämpft mit niedriger Nachfrage, weil Kaufinteressenten nur schwer Finanzierungen bekommen.

Viele Jahre lang hielt die Preisrallye am österreichischen Wohnimmobilienmarkt an, die Branche verzeichnete gute Gewinne. Allein seit der Corona-Krise haben sich die Kaufpreise für Wohnungen und Häuser laut Raiffeisen Immobilien um 29 Prozent verteuert. Doch seit Ende 2022 entwickelt sich der Markt rückläufig. Dafür sorgen die nach wie vor hohen Baukosten und Energiepreise, die rapide Zinswende und, dass Finanzierungen nur noch schwer zu bekommen sind.

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Anton Holzapfel, Geschäftsführer vom Österreichischen Verband der Immobilienwirtschaft: „Der Cocktail aus den vielen Faktoren hat letztendlich dazu geführt, dass der Immobilienmarkt bei den Käufen seit Jahresbeginn quasi stillsteht. Die Zahlen sind dramatisch.“ Ebenso dramatisch schildert die Lage ein Branchen-Insider: Es werde für viele Marktteilnehmer extrem schwierig. „Aktuell gibt es keinen Immobilienentwickler, der derzeit ein profitables Geschäft machen kann“, heißt es.

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Die Nachfrage ist aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen um etwa die Hälfte gesunken, beziffert Michael Pisecky, Fachgruppenobmann der Wiener Immobilienmakler, Verwalter und Bauträger. Nur jene Interessenten, die keine Finanzierung benötigen, schließen derzeit Käufe ab. „Das Transaktionsvolumen am Wohnimmobilienmarkt ist im ersten Halbjahr 2023 um 25 Prozent eingebrochen“, beziffert Sylvia Vedorfer, Gebietsleiterin für Österreich bei Engel & Völkers. Bei manchen Maklern gebe es einen Rückgang von bis zu 90 Prozent, sagen Branchenkenner.

Zudem sinken die Kaufpreise für gebrauchte Wohnimmobilien. In St. Pölten um zwölf Prozent, in Wien um acht, in Innsbruck um zehn Prozent. Wer nicht muss, verkauft nicht. „Hingegen ist das Angebotsvolumen mit einem Plus von 27 Prozent deutlich gestiegen“, sagt Vedorfer. „Waren es zuvor nur Tage oder Wochen, so sind Objekte nun Monate am Markt“, beziffert Pisecky.

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Am stärksten trifft diese Entwicklung all jene, die jetzt verkaufen wollen oder müssen. Und alle Dienstleister rund um diesen Bereich – also Banken, Immobilienmakler, Anwälte, Rechtsanwälte und Notare. Und natürlich auch den gesamten Bau und das Baunebengewerbe. 

Dass durch die Signa-Turbulenzen ein ganzer Markt ins Wanken kommt, will Holzapfel nicht sehen. „Ich gehe davon aus, dass alle ihre Hausaufgabe gemacht haben und die Marktlage auch aushalten.“ Michael Pisecky glaubt das nicht. „Vor allem jene Immobilienfirmen, die besonders intensiv expandiert haben, kommen unter Druck“.

Ein großer Unsicherheitsfaktor ist die Frage der Zinszahlungen – nämlich, inwieweit Darlehen bedient werden können. Die Signa sieht Holzapfel zwar „in einer anderen Liga und mit völlig eigenem Business-Konzept, weil es da viel Vermischung gibt – mit Handel, Investitionen, Immobilien.“ Aber: „Wenn hier jetzt großflächig Objekte etwa auf den Markt kommen, hat das sicher preisdämpfende Wirkung für den gesamten Markt.“

Nur der Beginn?

Es wird in den kommenden Monaten jedenfalls fordernd für viele Marktteilnehmer. Eine Umfrage der VÖPE (Vereinigung Österr. Projektentwickler) unter ihren Mitgliedsbetrieben zeigt, dass viele einen Umsatzrückgang von 70 Prozent erwarten. Die Auswirkung: Eine Marktbereinigung, die schon voll im Gang ist.

„Große Bauträger werden kleinere kaufen“, prognostiziert Roland Schatz von Engel & Völkers Wien. Dem widerspricht der ÖVI: „Ich bin zuversichtlich, dass der Immobilienmarkt stabil bleibt. Denn: Die Nachfrage nach Wohnimmobilien ist gegeben, wenn auch nur in der Miete. Zudem gibt es Rückgänge bei den Fertigstellungen im nächsten Jahr – also eher wieder eine Verknappung am Markt. Und neue Projekte werden zögerlich gestartet“, so Holzapfel.

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