Mies van der Rohe war ein wichtiger Gestalter der Moderne, sein Motto: „weniger ist mehr“. Ein Rückblick auf sein Werk.
Wer Großes vor hat, plant langfristig: Deshalb legte sich Ludwig Mies das „van der Rohe“ zu. Er fügte den Mädchennamen seiner Mutter, Amalie Rohe, hinzu und verband die Teile mit einem eleganten „van der“. Denn, so meinte er, mit dem Namen „Mies“ würden „mieses Wetter“ und „miese Architektur“ assoziiert.
Doch diese Sorge war unbegründet. Schnell stieg er zum gefeierten Architekten auf und reihte sich unter namhaften Vertreter der Moderne wie Walter Gropius, Bruno Taut oder Le Corbusier – ohne je ein Architekturstudium absolviert zu haben. Mies, Jahrgang 1886, war der Sohn eines Maurers und Steinmetzes aus Aachen.
Architekt ohne Studium
Im elterlichen Betrieb lernte er das Steinmetzhandwerk und den Wert guter Materialien kennen. 1905 zog es ihn nach Berlin, wo er als Zeichner in verschiedenen Architekturbüros arbeitete. 1912 eröffnete er sein eigenes Büro mit Sitz in Berlin. Mies: „Ich hatte keine Architekturausbildung im herkömmlichen Sinne. Ich arbeitete für ein paar gute Architekten, ich las ein paar gute Bücher – das ist schon alles.“
Weniger ist mehr
Seine Karriere begann in einer Zeit des Aufschwungs, den Goldenen Zwanzigerjahren. Der technische Fortschritt war nicht zu stoppen, Frauen trugen Bubikopf und Josephine Baker tanzte nackt den Charleston. Auch neue Kunstrichtungen entstanden: Die sogenannte Neue Sachlichkeit gab mit ihren realistischen Darstellungen den Ton in Kunst, Design und Architektur an.
Weniger ist mehr – so lautete das Credo seines Schaffens.
Praktisch und schnörkellos
Mit neuen Formen, Grundrissen und Materialien wollte er auf die Herausforderungen der Moderne reagieren. Sein Ziel war die praktische, schnörkellose Gestaltung von Räumen und Gebäuden. „Mich langweilt das Zeug, das ich um mich herum sehe. Es hat weder Logik noch Vernunft“, sagte er über die Architektur seiner Zeit. Also dachte er sie weiter.
Mit Erfolg: Er entwickelte moderne Skelettbauten aus Stahl, die eine hohe Variabilität der Nutzflächen und eine großflächige Verglasung der Fassaden und damit unverhüllte Einblicke in seine Gebäude ermöglichten. Gläserne Ecken und auf freien Grundrissen basierende fließende Räume wurden Merkmale seiner Architektur.
Großes Aufsehen erregte er 1922 mit dem Entwurf für ein Glashochhaus mit Vorhangfassade an der Berliner Friedrichstraße. Darauf folgten bald weitere Aufträge: Zu seinen frühen Meisterwerken zählen die Mehrfamilienhäuser der Stuttgarter Weißenhof-Siedlung (1927), der deutsche Pavillon für die internationale Ausstellung in Barcelona (1928/29) und die Villa des Ehepaars Tugendhat im mährischen Brno (Brünn, 1930). Für diese Gebäude entwarf er auch eine Reihe von Möbeln.
Die bekanntesten sind die Freischwinger der MR-Serie, der Barcelona-Sessel, der Brno-Stuhl, der Tugendhat-Sessel, die Palisanderliege mit Nackenrolle und das Glastischchen mit Kreuzgestell.
1930 leitete er für drei Jahre die Bauhaus-Schule und begann damit seine akademische Lehrtätigkeit. 1938 übersiedelte der dreifache Familienvater in die Vereinigten Staaten, wo er fortan in Chicago lebte und lehrte.
Einen weiteren Höhepunkt nahm seine Karriere in den 50er-Jahren: In dieser Zeit entwarf er das Wochenendhaus einer befreundeten Ärztin: Farnsworth House (1951). Es wird als sein erstes Meisterwerk in den USA angesehen, wurde weltberühmt und befindet sich heute im Besitz des National Trust for Historic Preservation. 1954 erhielt er den Auftrag zur Planung seines ersten Bürohochhauses, des Seagram Building in New York. Es zählt auch zu den Meilensteinen der Architektur.
In den letzten Jahren seines Lebens wurde Mies van der Rohe mit Auszeichnungen überhäuft. Ehrendoktortitel, Goldmedaillen von Architektenverbänden und die höchsten Zivilorden der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Staaten von Amerika gehören dazu. Die Aufträge für sein Büro wurden immer zahlreicher, vieles überließ er Mitarbeitern und seinem Enkelsohn Dirk Lohan, der Architekt war.
Am Ende seines Lebens erkrankte er an Speiseröhrenkrebs und starb 1969 in Chicago im Alter von 83 Jahren. Schluss- und Höhepunkt seines Lebenswerks war die Neue Nationalgalerie in Berlin (1965 – 1968). Sie wird derzeit von David Chipperfield Architects saniert und für den modernen Museumsbetriebs adaptiert.