Die Stadt muss rasch klimafit werden, doch die nötige Sanierung stagniert. Welche Sanierungs-Anreize wirken würden: WKO-Bauträgersprecher Hans Jörg Ulreich spricht im Interview Tacheles.
Alle Gebäude in der Europäischen Union sollen bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein – darauf hat sich das EU-Parlament verständigt. Doch der Weg, wie dieses Ziel in Österreich erreicht werden soll, ist weiterhin unklar.
Derzeit liegt die Sanierungsrate beim österreichischen Wohnungsbestand bei rund 1,8 Prozent pro Jahr. Noch immer sind rund 1,5 Millionen Gebäude in Österreich nicht ausreichend gedämmt und verbrauchen daher Unmengen an Energie. Zur Erreichung der Klimaziele sind aber mindestens 2,5 Prozent erforderlich. Hinzu kommt, dass die gestiegenen Zinsen und die hohen Baukosten die Sanierungsrate zuletzt negativ beeinflusst haben. 2022 ist die Quote dadurch gesunken – und nicht gestiegen.
Wolfgang Amann, Geschäftsführer des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW), nennt ein Beispiel: Beträgt die monatliche Rückzahlung für eine Bauleistung im Ausmaß von 100.000 Euro vor zwei Jahren noch monatlich 485 Euro, so betragen die Kosten für ein analoges Sanierungsprojekt heute 130.000 Euro und die monatliche Rückzahlung liegen bei 920 Euro.
Umfassende Sanierungen stagnieren
Während Einfamilienhausbesitzer zwar sehr daran interessiert sind, möglichst rasch aus Öl und Gas auszusteigen, bleiben Sanierung und Dämmung der Gebäudesubstanz in diesem Segment eher auf der Strecke. „Was schon erkennbar ist, dass im Einfamilienhausbereich vor allem Einzelmaßnahmen boomen, während umfassende Sanierungen stagnieren“, so Amann.
Vor allem beim mehrgeschoßigen Altbaubestand in den Städten ist das Potenzial an Energieeinsparungen durch Sanierungen besonders groß. Denn ein saniertes altes Gebäude hat im Vergleich zum Ist-Stand ein Energieeinsparungspotenzial von bis zu 76 Prozent, haben Experten errechnet.
Sanierungs-Anreize bieten, fordern Experten
Lesen hier das Interview mit Bauträger-Sprecher Hans Jörg Ulreich:
Doch damit Hausbesitzer und Eigentümergemeinschaften das Thema Sanierung in Angriff nehmen können, braucht es bessere Rahmenbedingungen, fordern Immobilienexperten. Neben technischen Konzepten, die rasch und kostengünstig angewendet werden können, sind das gesetzlichen Rahmenbedingungen. Gemeint sind das Erneuerbare-Wärme-Gesetz, das noch immer auf sich warten lässt, und wohnrechtliche Reformen. Es braucht klare Regeln, damit sich die einzelnen Mieter und Wohnungseigentümer mit der Umstellung der Heizung auf ein zentrales klimafreundliches System einverstanden erklären.
Wer trägt die Kosten für die Sanierung von Bestandsbauten?
Nach wie vor ist nicht eindeutig geklärt, wer die Kosten für die Sanierung der Bestandsbauten tragen soll. Klar, es gibt Fördergeld. Doch letztlich werden die Eigentümer (der Allein-Eigentümer oder die Miteigentümer einer Eigentümergemeinschaft) zur Kasse gebeten. Die Voraussetzungen dafür sind, dass die Mieteinnahmen ausreichen, was im Altbau mit der preisgeregelten Wohnungsmiete (Richtwert, Kategorie) und dem vor Kurzem beschlossenen Mietpreisdeckel in vielen Fällen nicht der Fall sein wird.
Denn der dringend zu sanierende Wohnraum befindet sich nicht mehrheitlich in der Hand von milliardenschweren Immobilienhaien, sondern vielmehr in öffentlicher Hand und jener von privaten Vermietern.
Österreich hinkt im internationalen Vergleich hinterher
Daher wird Unterstützung benötigt: „Wir brauchen noch heuer ein Sanierungspaket, das Anreize im Mietrecht ebenso enthält wie steuerliche Anreize“, fordert der Wiener Fachgruppen-Obmann der Immobilientreuhänder, Michael Pisecky. Auch der Blick über den Tellerrand zeigt, dass Österreich in Sachen Sanierungen im internationalen Vergleich nicht mithalten kann.
Andere Länder sind diesbezüglich deutlich weiter. Architekt Armin Daneshgar, der für seine grünen Gebäude mehrfach ausgezeichnet wurde (etwa Silber-Fiabci in der Kategorie Wohngebäude für Projekt Favorite Spring, Quellenstraße 22 in Wien), erzählt: „In London oder Paris, wo wir aktuell auch Projekte umsetzen, wird verstärkt auf die innerstädtische Verdichtung gesetzt. Das ist eine Maßnahme gegen die Versiegelung, aber auch für den Erhalt der guten Bausubstanz. Österreich hinkt hier deutlich hinterher.“
Sanierung rechnet sich nach einem Jahr
Die Vorteile, die eine Sanierung mit sich bringt, liegen auf der Hand. „Nur ein Jahr nach der Sanierung ist man CO2-neutral, weil man im Winter weniger heizen und im Sommer weniger kühlen muss“, führt Baumit-Chef Georg Bursik aus. Hinzu kommt: In weniger als zehn Jahren hätte sich jede Althaus-Sanierung auch finanziell gerechnet.
Doch auch auf sozialer Ebene profitieren alle von Sanierungen, sagt Daneshgar. „Zu behaupten, die Luxuswohnungen würden die Unter- oder Mittelschicht vertreiben, ist einfach nicht wahr. Stattdessen wohnen Arme und Reiche, Migranten und Einheimische unter einem Dach und teilen sich im Idealfall einen grünen Hof. Das macht die Stadt erst wirklich bunt“, so der Architekt. Eine Stadt, die klimafit und lebenswert ist, wäre also in den kommenden Jahren umsetzbar. Wenn schon jetzt die richtigen Weichen dafür gestellt werden.