Immobilienexperte Eugen Otto: "Wohnen ist unglaublich teuer geworden"

Eugen Ottos professioneller Lebensinhalt sind Immobilien. Wie er den Markt aktuell einschätzt, warum Wohnen so teuer geworden ist und was er von geplanten Preisbremsen hält, erzählt er im Interview.

KURIER: Herr Otto, ist Wohnen in Österreich zu teuer?

Eugen Otto: Das ist eine Sache der Betrachtung, ob man die Seite des Eigentümers oder die der Mieter heranzieht. Aber man muss schon sagen: Wohnen ist in den vergangenen zehn Jahren in Österreich unglaublich teuer geworden.

Warum?

Da muss man die Ausgangsbasis betrachten. Wohnen war in Österreich traditionell sehr billig. Es ist ein relativ geringer Anteil des Einkommens dafür aufgewendet worden. Das hat mit dem umfangreichen Mieterschutz zu tun, mit einer in Europa einzigartigen Deckelung beim Mietzins. Da werden Preissteigerungen dann extrem deutlich wahrgenommen. Wenn wir aber international vergleichen, dann war Eigentum vor 20, 25 Jahren in Österreich deutlich zu billig.

Es ist teilweise sogar schon von Überhitzung oder Blasenbildung am Markt die Rede.

Wir hatten extrem niedrige Zinsen. Die Nachfrage war riesig, man hat in fast panikartiger Manier in Immobilien investiert. Das Angebot war verknappt, die Preise sind gestiegen. Jetzt ist das alles anders.

Was ist aktuell gefragt?

Im Wohnsegment sind das die Objekte, die verkehrsgünstig in guten Lagen sind und die ein vernünftiges Preisniveau haben. Es sind Eigentumswohnungen mit einem guten Schnitt, wo Größe und Zimmeranzahl in einem guten Verhältnis sind. Schwierig ist es bei sehr großen und sehr teuren Mietwohnungen, die 15 oder 16 Euro am Quadratmeter kosten.

Teuerungen schlagen überall durch. Wie verändert das den Markt? Manche reden gar vom Stillstand am Immobilienmarkt.

Es gibt eine reduzierte Geschwindigkeit am Markt, bei Kauf und Verkauf. Aber dort, wo es um das Anmieten geht oder wo es um die Befriedigung der Bedürfnisse geht, dort gibt es diesen Stillstand nicht. Aber es ist natürlich so, dass die Unsicherheit größer geworden ist. Die Sorgen sind größer. Und die Energiekosten sind so hoch, dass wir hier schon von einer zweiten oder dritten Miete reden.

Und was erwarten Sie für 2023?

Was wir seit dem Ende der ersten Jahreshälfte 2022 sehen, ist, dass die Anzahl der Transaktionen zurückgegangen ist. Wir erleben ein neues Realitätsbewusstsein. Eine reale Betrachtung der gesamten Situation. Es gibt wieder Objekte auf dem Markt, das Angebot ist größer geworden. Aber es wird langsamer agiert. Man kann sich mehr aussuchen und auch als Käufer verhandeln und besser durchsetzen.

Wie sehen Sie Eingriffe in den Markt? Wir reden von diversen Bremsen, zuletzt von einer Mietpreisbremse.

Manipulationen sind für mich ein künstlicher Eingriff und ich finde, dass es ein gutes Augenmaß braucht. Es braucht auch Fairness. Wir haben auf der einen Seite das Eigentumsrecht des Vermieters, auf der anderen Seite Möglichkeiten zur Unterstützung wie Transferleistungen oder Mietzinsbeihilfen. Die Mietpreisbremse mit der Gießkanne halte ich für unfair und unangebracht. Und ich habe auch den Eindruck, dass bei den politischen Verhandlungen andere Dinge miteinbezogen werden, die in Wahrheit mit der Notwendigkeit des Markts nichts zu tun haben.

Ein anderer künstlicher Eingriff wäre eine Leerstandsabgabe.

Auch da muss man überlegen und hinterfragen. Jeder Eigentümer, der eine Wohnung hat, die leer steht, hat ja einen doppelten Verlust. Er muss Betriebskosten zahlen und hat keine Mieteinnahmen. Wenn jemand also aus bestimmten Gründen eine Wohnung nicht vermietet, dann ist das ohnedies durchaus sein eigener Schaden. Nochmals: Ich glaube, dass es wichtig wäre, treffsicher die Haushalte und Familien zu unterstützen, die es wirklich brauchen. Es gibt ein fantastisches Sozialwohnungssystem, fantastisch geförderte Wohnungen, sowohl im Eigentum als auch zur Miete. Und es gibt zudem die Genossenschaften. Und der freie Markt sollte frei bleiben. Jeder Eigentümer, der in sein Haus oder seine Wohnung nachhaltig investiert, sollte auch die Möglichkeit haben, diese Investitionen wieder zurück verdienen zu können.

Kurier/Franz Gruber

Im KURIER Business Gespräch: Eugen Otto und Journalistin Sandra Baierl

Ein paar schnelle Fragen mit der Bitte um kurzen Antworten: Wie sehen Sie die ewige Frage: Kaufen oder mieten?

Das ist lebensituationsabhängig und individuell zu entscheiden.

Wo soll man wohnen? Altbau oder Neubau?

Auch das ist hochindividuell und liegt im Auge des Betrachters.

Wo soll man investieren? Altbau oder Neubau?

Wirtschaftlich sinnvoller ist der Neubau. Kulturell anspruchsvoller der Altbau.

Lieber Stadtwohnung oder Haus im Grünen?

Auch das ist lebenssituationabhängig. Das kann man nur im Zusammenhang mit der eigenen Familie sehen.

Stichwort Vorsorgewohnung: etwas für die Pension oder die Kinder?

Beides.

Ein alter Immospruch lautet: Lage, Lage, Lage. Stimmt das noch?

Ja. Mit ein paar Attributen rundherum: Wie ist die Lebenssituation? Kann man es sich leisten? Wie sieht es mit der Familie aus? Wie entwickle ich mich weiter?

Wann würden Sie als Eigentümer eine Immobilie verkaufen?

Einfache Antwort: Es ist immer nur das Bessere der Feind des Guten. Wenn ich eine Immobilie besitze und ich mit dem Erlös dieser Immobilie etwas anderes, das mir oder meiner Familie oder meinem Umfeld oder meinem Unternehmen dienlicher ist, kaufen kann, dann würde ich verkaufen und so den nächsten Schritt gehen.

Zum Unternehmen

Was vor mehr als 65 Jahren als kleine Hausverwaltung begann, ist heute eines der Top-Makler-Unternehmen des Landes. Otto Immobilien verwaltet, bewertet und  vermarktet in allen Bereichen wie Wohnen, Gewerbe, Investment und Zinshaus. Mehr als  90 Mitarbeiter zählt das Unternehmen, das in Österreich eine exklusive Partnerschaft mit Knight Frank, einem internationalen Immobilienberater, führt.  In den vergangenen drei Jahren hat Otto Immobilien  75.000 Quadratmeter Wohnraum und 125.000 Quadratmeter Zinshäuser vermietet oder verkauft, ein Investment-Volumen von 1,1 Milliarden Euro  betreut und  500.000 Quadratmeter Fläche verwaltet.

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