Historische Glashäuser sind Meisterwerke der Konstruktion

Historische Glashäuser beeindrucken durch ihre stabile Konstruktion aus Stahl. Trotzdem wirken sie leicht und luftig.

Wer den Schönbrunner Schlosspark über das Hietzinger Tor betritt, steht schon nach wenigen Schritten vor einem beeindruckenden Bau aus Glas und Eisen, dem Großen Palmenhaus. Mit einer Gesamtfläche von 2.500 m2 war es zum Zeitpunkt der Eröffnung am 17. Juni 1882 das größte Glashaus der Welt.

Das aus vorgefertigten Teilen zusammengesetzte Gebäude ist 111 Meter lang, maximal 28 Meter breit und erreicht an der höchsten Stelle 25 Meter. Die Glasfläche ist aus mehr als 40.000 Glastafeln zusammengesetzt.

Kurier / Gerhard Deutsch

40.000 Glasflächen wurden bei der Sanierung in den 1980er-Jahren ausgetauscht

Glashäuser wurden ab dem 16. Jahrhundert gebaut, um Pflanzen zu überwintern. Zu Beginn aus Holz, mit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert zunehmend aus Eisen. England war führend auf diesem Gebiet.

Viktorianischer Baustil

Auch das österreichische Kaiserhaus wünschte sich damals ein Gebäude zur repräsentativen und modernen Präsentation seiner Pflanzensammlung. Erstmals sollten alle Pflanzen, die zuvor entsprechend ihrer Herkunft und Kultivierungsbedingungen auf mehrere Häuser verteilt waren, in einem Schauglashaus versammelt werden. „Direktes Vorbild war das Palmenhaus in Kew Gardens in England“, erzählt Daniel Rohrauer, Institutsleiter der Botanischen Sammlungen der Bundesgärten.

Anders als in Kew wurden in Schönbrunn an die Seitenflügel quadratische Eckpavillons angesetzt, die die Formen des Mittelpavillons aufnehmen. „Schon bei der Errichtung war der viktorianische Baustil überholt“, sagt Rohrauer. „Aber Franz Joseph ließ sich davon nicht abbringen.“

Österreichische Bundesgärten

Daniel Rohrauer, Institutsleiter der Botanischen Sammlungen der Bundes-
gärten

Auftragsvergabe

Auf der Grundlage des Entwurfs von Architekt Franz Segenschmid wurden ab Jänner 1880 nach und nach die Verträge mit den Handwerkern geschlossen. Mit der Herstellung der eisernen Konstruktion wurde der auf Glashausbau spezialisierte Hofschlosser und Eisenkonstrukteur Ignaz Gridl beauftragt.

Im Juli 1880 begann die Firma Gridl mit der Lieferung der eisernen Konstruktion für den Mittelpavillon. Die gesamte Eisenkonstruktion lagert auf einem niedrigen, steinernen Parapett, von dem kreisbogenförmig gewölbt die Glaswände aufsteigen. Die Tragkonstruktion in Form von schmiedeeisernen Gitterfachwerkträgern ist außenliegend, die Glaswände sind in diese eingehängt. Im Inneren stützen gusseiserne Pfeiler die Konstruktion der umlaufenden Eisenträger.

Noch bis 1. Oktober erzählt die Ausstellung „In 141 Jahren um die Welt“ im Großen Palmenhaus seine Baugeschichte.

Alfred Fogarassy

Ignaz Gridl (1825–1890) gründete 1862 sein Unternehmen in Wien-Mariahilf

Karriere

Schlossermeister Ignaz Gridl (1825–1890) war stets die erste Adresse, wenn es um Eisenbahnbrücken, um Kuppelkonstruktionen oder Dachbekrönungen während der Ringstraßen-Epoche ging.

Alfred Fogarassy, ein Ururenkel von Ignaz Gridl, hat gemeinsam mit der Fotokünstlerin Nora Schoeller die Schöpfungen von Vater und Sohn Ignaz Gridl und deren Firma im Buch „Ignaz Gridl. Eisenkonstruktionen“ dokumentiert, die heute noch Wiens Stadtbild prägen.

Es sind Bauten wie das Burgtheater an der Ringstraße, wo die tragenden Konstruktionen verborgen bleiben mussten. Anders ist das bei den Eisenkonstruktionen im Brückenbau und bei den zahlreichen Gewächshäusern, von denen jenes in Schönbrunn nur ein Beispiel ist.

Österreichische Nationalbibliothek

Das Palmenhaus im Augarten, errichtet von der Firma Gridl um 1880, wurde 2013 umfassend saniert

Erhalten geblieben

Zwei andere, heute noch erhaltene Glashäuser aus dem Hause Gridl, sind das Palmenhaus im Augarten – das 2013 saniert wurde – und das Gewächshaus im botanischen Garten der Universität Graz. Nachdem das denkmalgeschützte Baujuwel einige Jahre aus Sicherheitsgründen gesperrt war, wurde es 2021 von der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) als Eigentümer saniert und wird jetzt wieder für Forschung genutzt.

Bei den meisten Palmenhäusern in europäischen Städten stand die gesellschaftliche Repräsentation im Vordergrund. Anders in Graz: Das Gewächshaus ist ein funktional reduzierter Ingenieursbau, bei dem schon bei der Planung der Forschungsaspekt im Zentrum stand.

David Schreyer

Das Gewächshaus im botanischen Garten der Universität Graz wurde 2021 generalsaniert

Rostbefall

An den monumentalen Gebäuden nagt der Zahn der Zeit. Die BIG hat das 130 Jahre alte Gewächshaus vom Fundament bis zur charakteristischen Stahlkonstruktion saniert, in enger Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt. Um das Gebäude als Forschungsstandort fit zu machen, musste die gesamte Verglasung getauscht werden. Jetzt kommen spezielle Fenstergläser zum Einsatz, die das komplette UV-Strahlenspektrum durchlassen, das die Pflanzen zum Gedeihen brauchen. Als sichtbarste Maßnahme wurde die teils verrostete historische Eisenkonstruktion saniert und wieder im bauzeitlichen Grün gestrichen.

Viele Sanierungen

Auch das Große Palmenhaus in Schönbrunn hat schon mehrere Sanierungen hinter sich. Im Februar 1945 schlugen mehrere Bomben in der Nähe ein. „Durch die Druckwellen wurden die Fensterscheiben zerstört. Aufgrund des allgemeinen Materialmangels nach dem Zweiten Weltkrieg konnte das Palmenhaus erst 1953 wiedereröffnet werden“, weiß Daniel Rohrauer.

Bereits 1976 war der Bauzustand wieder so schlecht, dass das Palmenhaus für die Öffentlichkeit geschlossen wurde. Die Sanierung erfolgte in den Jahren 1986 bis 1990. Von 2011 bis 2014 fand die bislang letzte Sanierung statt.

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