Frauen in der Architektur: Was sie leisten, womit sie ringen

Gläserne Decke und faire Quoten: Womit Frauen in der Architektur heute noch ringen - acht Architektinnen erzählen.

In den Hörsälen sind sie noch in der Mehrheit. „Doch nach dem Diplom verschwinden viele“, beobachtet die Wiener Architektin Silja Tillner. Von jenen Architektinnen, die sich nach dem Studium selbstständig machen, erlangt nur ein Teil öffentliche Aufmerksamkeit. Viele arbeiten mit einem Partner, wenige führen ein Büro alleine. „Man muss sich zudem anschauen, wie viele der Architektinnen gleichberechtigte Partnerinnen sind“, so Tillner.

Fotostudio Huger

Sonja Tillner

Silja Tillner hat an der Akademie der Bildenden Künste studiert. Mit Alfred Willinger hat sie ein Architekturbüro in Wien. Zu ihren Bauten zählt das Messecarree Nord im 2. Bezirk, die Skyline in Spittelau.

Rupert Steiner

Messecarree Nord im 2. Bezirk

Architektinnen weltweit im Vormarsch

Dennoch hat sich viel getan. Die Rolle der Frau in der Architektur sieht Dörte Kulman als gestärkt an. Sie forscht am Institut für Baugeschichte der TU Wien. Der Vormarsch der Frauen ist auch an den Zahlen abzulesen: An der TU Wien studieren mehr Frauen als Männer Architektur, bei den Lehrbeauftragten ist das Geschlechterverhältnis ausgewogen. Aber: Bei den berufenen Professoren überwiegen die Männer deutlich.

Welche Folgen hat dieses Ungleichgewicht?

Probleme, denen Dörte Kulman vor knapp 30 Jahren ausgesetzt war, gibt es heute nicht mehr. „Anfang der 90er war es schwierig, ein Praktikum auf der Baustelle zu finden. Die Vorbehalte gegenüber Frauen waren groß“, erzählt sie. Auch in Lehrveranstaltungen musste sie teils mehr leisten als männlichen Kollegen und sich „unangemessene Witze und blöde Bemerkungen“ von Dozenten gefallen lassen. „Heute ist die Akzeptanz von Architektinnen gleichwertig – die gläserne Decke existiert aber immer noch.“

Quote: Druck auf Gleichstellung ist groß

Das betreffe vor allem Netzwerke, in denen Architektinnen häufig weniger vertreten sind als männlichen Kollegen. Allerdings holen die Frauen auch in diesem Bereich auf. „Gerade an den Universitäten besteht großer Druck, was die Gleichstellung von Männern und Frauen betrifft“, weiß Sabine Pollak, Leiterin „Architektur und Urbanistik“ an der Kunstuni Linz.

Sabine Pollak

Sabine Pollaks leitet seit 2008 den Bereich Architektur und Urbanistik an der Universität Linz. 1995 gründete sie mit Roland Köb „Koeb und Pollak Architektur“ in Wien und plante und anderem das Frauenwohnprojekt „ro*sa“ in Wien-Donaustadt.

Pollak

Frauenwohnprojekt „ro*sa“ von Koeb und Pollak Architektur

„Weibliche Vorbilder gab es einfach nicht"

„An der Uni gab es nur männliche Vorbilder“, erzählt Anna Wickenhauser. Es wurden nur Projekte von Männern gezeigt, auch die Auftraggeber im Baugewerbe waren Männer. Doch dann kam Zaha Hadid: „Sie trat mit einer Selbstverständlichkeit auf“, erinnert sich Anna Wickenhauser. Erst von da an gab es ein echtes Vorbild.

Anna Wickenhauser

Anna Wickenhauser  hat an der TU Graz, der ETH Zürich und der  UDK Berlin studiert. Seit 2004 hat sie ihr eigenes Büro in Wien und lehrt an der TU Wien Hoch- und Städtebau. Eines ihrer aktuellsten Projekte: Die Gartensiedlung Seefeldergasse in Wien Donaustadt.

Dylan Mundy-Clowry

Gartensiedlung Seefeld in Wien Donaustadt

Wettbewerbe sind männerdomniniert

In der Praxis sieht es aber immer noch anders aus – vor allem bei der Vergabe von Aufträgen. „Bei geladenen Architekturwettbewerben sind Architektinnen häufig nicht vertreten“, so Pollak. Umso wichtiger sei es, selbst gezielt Frauen einzuladen, so Wickenhauser.

Denn auch verdienstmäßig gibt es Unterschiede. Tillner betont: „Wenn es um hohe Honorare geht, tauchen kaum Frauen auf.“ Man finde sie stattdessen vor allem im sozialen Wohnbau, der viel Arbeit, aber kaum Geld bringt.

Wie wichtig Aufträge gerade für junge Architektinnen sind, weiß Susanne Zottl. Sie bekam ihr erstes Projekt (Anm. Atelier Augarten) kurz nach der Ziviltechnikerprüfung vor 20 Jahren. „Wir haben unser ganzes Können hineingesteckt und uns danach viel mehr zugetraut“, erzählt sie.

Diese Chance wünsche sie ihren Studierenden: „Viele talentierte Kolleginnen kommen nach. Dadurch wird die Branche in Zukunft stärker von Frauen geprägt sein.“

Susanne Zottl

Susanne Zottl hat in Wien, Paris und Los Angeles studiert. Seit 1998 ist sie selbstständig. Kürzlich plante sie die Brennhalle der Porzellanmanufaktur Augarten.

Mario Buda

Brennhalle Augarten Porzellan

Weibliche Architektur gibt es nicht

Aber: Architektinnen haben andere Perspektiven. „Ich sitze in vielen Wettbewerbsjurys, man kann nicht erkennen, ob ein Mann oder eine Frau etwas geplant hat“, sagt Silja Tillner. Dem stimmt Dörte Kuhlmann zu.

Im Rahmen einer Genderstudie hat sie 2013 unzählige Experten zum Thema befragt. „Die Antwort war dieselbe. Es gibt optisch keinen Unterschied zwischen Architekt und Architektin“, so Kuhlmann. Das liege daran, dass alle Studierenden denselben Ausbildungsprozess durchlaufen und dieselben Diskussionen über Ästhetik führen.“

Was auffällt, ist, dass Architektinnen im Laufe der Geschichte bestimmte Themen stärker geprägt haben. Etwa die Ökonomisierung des Haushalts: Margarete Schütte-Lihotzky hat in den 20ern die moderne Einbauküche entworfen. Kuhlmann: „Sie war keine Hausfrau – aber sie hatte die Hausfrau im Fokus.“

Was Frauenkarrieren heute noch erschwert?

Mangelnde Kinderbetreuung und die Arbeitskultur, sind sich Architektinnen einig. Der Beruf ist mit hohem Einsatz verbunden, es ist oft nicht möglich, um 18 Uhr das Büro zu verlassen. Silja Tillner: „Die Folge ist, dass sich viele Frauen nicht für wichtige Positionen interessieren – gar nicht so weit kommen.“

Mehr Unterstützung wäre wichtig, Frauennetzwerke gibt es mittlerweile, aber nicht in ausreichender Form. Anna Wickenhauser: „Wichtig ist, dass Architektinnen, die unabhängig sein wollen, lernen, für sich selbst einzustehen, der eigene Maßstab zu sein.“

Internationale Superstars

Regine Leibinger ist eine deutsche Top-Architektin, die in Berlin und Harvard studiert und mit ihrem Mann das deutsch-amerikanische Architekturbüro BarkowLeibinger gegründet hat, später folgte ein  Büro in New York. Sie unterrichtet unter anderem an der Princeton University und  an der TU Berlin.

Simon Menges, Berlin

Wichtiger Bau:Trumpf Smart Factory Chicago.

Farshid Moussavi studierte an der Harvard University und am University College in London. 2018 wurde sie von Queen Elizabeth II. mit dem „Order of the British Empire“ ausgezeichnet.

© Stephen Gill/fashid moussavi

Sie plant Flagship Stores für Victoria Beckham in London und Hong Kong, das Museum für zeitgenössische Kunst in Cleveland und einen Wohnkomplex in Paris.

Stephen Chernin/Invision/AP

Maya Ying Lin ist eine amerikanische Architektin und Designerin chinesischer Abstammung. Im Alter von 21 Jahren gewann sie, als sie noch Studentin in Yale war, den Wettbewerb zur Gestaltung der Vietnamgedenkstätte.

Getty Images/Getty Images/Pgiam

Ihr bekanntestes Werk ist das Vietnam Veterans Memorial in Washington.

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