Pro Tag gehen in Österreich 12 ha Boden verloren. Gleichzeitig stehen viele Immobilien leer. Eine Strategie ist nicht in Sicht.
Bei der österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK) sollte in Wien diese Woche die erste österreichische Bodenschutzstrategie beschlossen werden. Denn: „Österreich ist Schlusslicht beim Bodenschutz. Wir versiegeln jeden Tag zu viele Böden“, sagte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne). Die Klimakrise mit ihren Auswirkungen wie Waldbränden oder Dürre sei in Österreich angekommen. Die Wichtigkeit, etwas dagegen zu tun, sei vielen Menschen klar.
Doch der Beschluss der Bodenschutzstrategie wurde auf unbestimmte Zeit vertragt. Zwar wurde der Entwurf diskutiert, wodurch künftig zentrale Maßnahmen zur substanziellen Reduktion der Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung in Österreich geregelt werden. Bund, Länder, Städte und Gemeinden sowie Wirtschafts- und Sozialpartner sollen wissenschaftlich fundierte Maßnahmen zum Schutz des Bodens umsetzen. Ein Kernelement der Strategie ist ein neues Datenmodell, um künftig genauere und einheitliche Daten zur Flächennutzung in Österreich zur Verfügung zu stellen. Die Umsetzung soll mithilfe eines Aktionsplans und durch Monitoring garantiert werden.
Geplant ist eine Bodenstrategie mit vier generellen Zielen: Schutz von Frei- und Grünland, Unterbindung der Zersiedelung, effiziente Innenentwicklung, um geeignete Baulandbestände im Siedlungsgebiet bestmöglich zu nutzen, Intensivierung der Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Auf EU-Ebene ist der Bodenschutz derzeit kein rechtsverbindliches politisches Ziel in Bezug auf Flächenverbrauch und Bodenversiegelung. In der neuen EU-Bodenschutzstrategie wurden lediglich die einzelnen Staaten aufgefordert, Zielvorgaben für die Flächeninanspruchnahme bis 2030 festzulegen – letztlich gilt das Ziel, bis 2050 die Neutralität der Flächeninanspruchnahme zu erreichen.
Das Problem: Immer mehr neuer Wohnraum wird errichtet, während gleichzeitig Büros, Gewerbeflächen und Wohnraum leer stehen. Hinzu kommt Leerstand in den Ortszentren und die Tatsache, dass es immer noch günstiger ist, auf der grünen Wiese neu zu bauen, als den Bestand zu sanieren. Der Wert von Grund und Boden orientiert sich an der jeweiligen Widmung. Baugrund ist mehr wert, als landwirtschaftliche Flächen. Flächenumwidmungen passieren oft willkürlich.
Laut dem diese Woche vorgelegten Bodenreport der Umweltschutzorganisation WWF wurden seit dem Jahr 2000 in Österreich 130.000 Hektar beste Agrarflächen durch Verbauung für immer zerstört. Dies entspricht der gesamten Ackerfläche des Burgenlands. Daher braucht es einen Schutz besonders wertvoller Flächen (landwirtschaftliche Vorrangflächen), wie am Beispiel der Schweiz, wo die produktivsten Landwirtschaftsböden für die Ernährungssicherung der Bevölkerung gesetzlich vor Verbauung geschützt sind. Außerdem messbare Zielwerte für die tägliche Flächeninanspruchnahme, die auf Landesebene in Novellierungen der Raumordnungsgesetze zu verankern sind. „Vor allem die Bundesländer müssen ihre Blockadehaltung gegenüber echtem Bodenschutz überdenken. Alles andere wäre zukunftsvergessen und verantwortungslos“, sagt WWF-Bodenschutzsprecher Simon Pories.
Einige Best-Practice-Beispiele gibt es bereits: In den einzelnen Bundesländern werden Maßnahmen gegen die zunehmende Bodenversiegelung ergriffen: Im Burgenland wurde die Raumplanung zum Beispiel dahingehend novelliert, dass Supermärkte künftig nur mehr im Ortskern errichtet oder erweitert werden dürfen. In der Steiermark und in Salzburg wurde im Vorjahr eine Abgabe auf Leerstand beschlossen, Tirol hat heuer nachgezogen. Doch auch Gemeinden sind aktiv: Mit dem Erdreich-Preis zeichnete das Klimaschutzministerium 2022 erstmals Initiativen und Projekte aus, die aktiv Bodenschutz betreiben. Eine der Gewinnerinnen war die Gemeinde Bruckneudorf, die auf dem Gelände einer ehemaligen Erbsenfabrik eine Volksschule, Reihenhäuser, Wohnungen, Büros und Geschäfte errichtete.