2020 ist ein besonderes Jahr, der österreichische Immobilienmarkt ist massiv in Bewegung.
Wie sich der österreichische Immobilienmarkt in den nächsten Wochen und Monaten entwickelt, hängt von vielen Faktoren ab. „Es kommt vor allem darauf an, ab wann die Folgen der wirtschaftlichen Entwicklung für die Bevölkerung spürbar sind“, sagt Örag-Vorstand Johannes Endl.
Kurzarbeit, hohe Arbeitslosigkeit und Unternehmenskonkurse werden auch am österreichischen Immobilienmarkt ihre Spuren hinterlassen. „Es gab schon bessere Marktphasen“, resümiert Endl. Derzeit sei vor allem die Verunsicherung groß. Fünf Trends zeichnen sich daher jetzt bereits ab:
Trend 1: Gewerbeimmobilien - Delle und Erholung
Wie groß die Umbrüche am Gewerbeimmobilienmarkt sein werden, wird man wohl erst in ein paar Jahren sehen. Geschäftslokale, Hotels und Restaurants waren bis zu acht Wochen lang während des Lockdowns geschlossen. Besitzer von Handelsimmobilien – Geschäftslokalen und Einkaufszentren – mussten in dieser Zeit Mietausfälle hinnehmen.
Während sich der Büromarkt als überraschend krisenresistent erwiesen hat, verzeichneten Logistikimmobilien einen Boom. Die Nachfrage von Paketdienstleistern und Onlinehändlern nach Lagerflächen ist anhaltend hoch.
Am schwersten getroffen im Gewerbeimmobilienbereich sind Teile der Hotellerie. Opportunistische Investoren sehen sich bereits nach Notverkäufen im Hotelsegment um, geht aus einem aktuellen Marktbericht von Cbre hervor. „Dennoch suchen Investoren in Wien nach neuen Hotelprojekten“, sagt Georg Spiegelfeld, Präsident des Immobilienring Österreich.
Im Bereich der Stadthotellerie wird es zu einer Marktbereinigung kommen, ist Johannes Endl überzeugt. Solide Betriebe würden überleben, denn die Kongresse und Tagungen werden zurückkommen. Eventuell könnten Hotels auch in Wohngebäude umgebaut werden.
„Es sind unglaubliche Geldmengen vorhanden, die investiert werden wollen“, betont Georg Spiegelfeld. Und das, obwohl die Renditen am Boden seien. „In Toplage im ersten Bezirk liegen diese bei 1 bis 1,5 Prozent“, betont Georg Spiegelfeld. Die Renditen werden auch weiterhin sinken, prophezeit Örag-Vorstand Johannes Endl.
„Wir sind positiv überrascht über die gute Entwicklung am Büroimmobilienmarkt“, sagt er. Die Nachfrage nach Büroflächen ist hoch, die Leerstandsrate sinkt. „Allerdings fahren Unternehmen auf Sicht und gehen keine langfristigen Verbindlichkeiten ein“, ergänzt er.
Daher wird das eine oder andere Unternehmen keine neuen Büroflächen anmieten und sich mit den bestehenden Flächen noch länger arrangieren. Andere Firmen werden versuchen, bei der Anmietung von Büroflächen eine kürzere Mietdauer auszuhandeln – falls sie sich mit diesem Wunsch durchsetzen können.
Trend 2: Finanzierung - Banken steigen auf die Bremse
„Früher hat Bankinstituten die Immobilie als Sicherheit für einen Immobilienkredit gereicht, heute verlangen sie viel höhere Sicherheiten“, sagt Georg Spiegelfeld.
Finanzinstitute sehen nun außerdem genauer hin, an wen sie Kredite vergeben. „Es werden die Einkommensnachweise der vergangenen drei Jahre verlangt, zudem eine höhere Eigenkapitalquote“, konkretisiert Spiegelfeld.
War früher eine Eigenkapitalquote in der Höhe von 30 Prozent erforderlich, so seien es heute 40 bis 50 Prozent. „Es wird sehr genau auf die Bonität geachtet“, bestätigt auch Johannes Endl. „Das stört jedoch all jene nicht, die ausreichend Eigenkapital haben, denn die Finanzierungskonditionen sind nach wie vor sehr gut.“
Trend 3: Neue Projekte - Pipeline für 2021 stockt
Der mehrwöchige Baustellen-Stillstand im Zuge des Lockdowns im Frühling hat zahlreiche Projekte zurückgeworfen, viele Baufirmen hatten mit den Folgen dieser Verzögerungen zu kämpfen. Mittlerweile ist es bei den meisten Projekten gelungen, die verlorene Zeit großteils wieder aufzuholen.
Viele künftige Bauprojekte liegen jedoch auf Eis. „Neubau-Projekte, die in der Pipeline sind, werden sich verzögern“, ist Georg Spiegelfeld überzeugt. Das hat einerseits damit zu tun, dass sich während des Lockdowns die Vergabe von Baubewilligungen verzögert hat, dieser Rückstau wird nun von den Behörden langsam abgearbeitet.
Aber vor allem konnten viele Immobilienunternehmen in dieser Phase nicht ausreichend neue Projekte lukrieren.
Doch die Experten erwarten nicht, dass sich dies negativ auf die Verfügbarkeit von Wohnimmobilien am Markt auswirken wird. „Einerseits ist der Zuzug in die Städte geringer geworden, andererseits wurde in den vergangenen Jahren sehr viel gebaut“, sagt der Präsident des Immobilienring Austria. Allein im Vorjahr sind in Wien rund 17.000 neue Wohnungen auf den Markt gekommen.
Trend 4: Immobilienwerte - Nur geringe Abschläge
Wie gehen Immobilienfonds mit der Entwicklung auf den Immobilienmärkten nach dem Lockdown um? „Gutachter zu sein ist jetzt eine große Herausforderung“, sagt Johannes Endl.
Denn sie werden Immobilien in bestimmten Segmenten neu bewerten müssen. Wie hoch die Abwertung sein wird, ist dabei die große Frage. „Es geht lediglich um kleine Abschläge“, ist Georg Spiegelfeld überzeugt.
Hotels und Büros würden nur geringfügig abgewertet. Fondsgesellschaften würden seiner Meinung nach davon ausgehen, dass Assets 2021 und 2022 wieder auf demselben Niveau bewertet werden wie vor dem Lockdown.
Trend 5: Eigentum oder Miete - beides gefragt
„Viele Personen rechnen damit, dass es gut ist, die eigenen Ersparnisse auszugeben“, betont Örag-Vorstand Johannes Endl. Das betrifft sowohl Eigennutzer als auch Anleger. In Sachwerte zu investieren zahlt sich aus, vor allem, da die Inflation das Geld am Konto ohnehin weniger werden lässt.
Viele Österreicher wollen sich wohnlich verändern. Die Nachfrage nach Wohnen mit Freiraum – Garten, Terrasse oder Balkon – ist groß. „Die Menschen haben sich im Zuge des Lockdowns genau überlegt, wie sie in naher Zukunft wohnen wollen“, ist Spiegelfeld überzeugt.
Viele wünschen sich mehr Raum, etwa ein zusätzliches Arbeitszimmer. Denn viele haben gesehen, dass es zu eng ist, wenn man zu Hause arbeitet und auch die Kinder daheim sind. Der Trend zum Wohnen in Ballungsräumen hält auch in Krisenzeiten an, so der Örag-Vorstand.
Auch Wohnraum im Speckgürtel – oder etwas weiter draußen – ist gefragt. Allerdings würden manche Ankaufsentscheidungen aus finanziellen Gründen überdacht werden.
Es wird auch Verschiebungen vom Eigentum zur Miete geben, ist Johannes Endl überzeugt. Denn die Mieten im gesetzlich regulierten Bereich (Richtwert) sind auch in guten Lagen niedrig.
„Es gibt aber auch Lagen, in denen die Mietersuche schwieriger geworden ist, wo die Mieter wählerisch sein können“, so der Örag-Vorstand. Von einer Preisreduktion sei jedoch nicht die Rede.