Die wichtigsten Trends der Branche

Die Immo-Messe Expo Real gilt als Pulsmesser der Branche. Die wichtigsten Themen heuer: niedrige Zinsen und Flächenmangel.

46.700 Teilnehmen drängten sich drei Tage lang durch die Hallen der Messe München. Diese Woche ging die Expo Real, die wichtigste Immobilienmesse Europas, über die Bühne – und sie schlug alle Rekorde: Mit fast 2.200 Ausstellern war die Messe größer denn je. „Die starke Beteiligung spiegelt eine positive Erwartung der Immobilienwirtschaft für dieses Jahr wider“, sagt Klaus Dittrich, Geschäftsführer der Messe München.

Österreich war hinter Deutschland übrigens das wichtigste Ausstellerland – die Signa-Gruppe von Rene Benko stach mit einem der größten Stände hervor.

Das wirtschaftliche Umfeld aber ist gar nicht so rosig: Drohende Handelskriege, bevorstehender Brexit, mögliche Rezession. Dazu wird seit Jahren unter Experten über eine Trendwende am boomenden Immobilienmarkt diskutiert, eingetreten ist der Abschwung aber nicht. „Der aktuelle Immobilienzyklus ist weit fortgeschritten“, meint Jörg Quentin, Leiter der Immobilienbewertung bei der Deutschen Pfandbriefbank, einem großen Immobilienfinanzierer.

ÖBB/Andreas Scheiblecker

Durch den Online-Handel verändern sich die Konsumgewohnheiten. Viele Immobilienentwickler nehmen das zum Anlass, sich neue Konzepte zu überlegen. So auch die Immobiliensparte der ÖBB: Seit Juli 2019 wird an drei Standorten (Tullnerfeld, Wolf in der Au, Hadersdorf) ein Pilotprojekt getestet, bei dem die Supermarktkette Interspar riesige, gekühlte Abholboxen aufgestellt hat. Die Kunden sind damit in der Lage, ihren Einkauf online zu bestellen und am Nachhauseweg bei der Box abzuholen. „Die Kunden sind vor allem Pendler, die große Wochenendeinkäufe erledigen“, sagt Erich Pirkl, Geschäftsführer der ÖBB Immobilien. Zusätzlich gibt an drei anderen Bahnhöfen seit November 2018 Pilotstandorte für eine Bahnhofs-Greißlerei.  

Thomas Plettenberg / Messe M?nch

2019 könnte zu einem neuen Rekordjahr werden, zumindest in Österreich. „Das aktuelle Niedrigzinsumfeld und der hohe Anlagedruck der Investoren befeuern die Nachfrage nach Immobilieninvestments weiter“, berichtet Michael Ehlmaier, Chef des Immobilienunternehmens EHL. „Dazu kommt, dass es immer mehr internationale Investoren aus dem arabischen und asiatischen Raum nach Europa zieht und so die Preise weiter nach oben getrieben werden.“ Allerdings: Mittlerweile sind passende Projekte rar, sprich das Angebot an Objekten stößt an die Grenze. Auch neue Grundstücksflächen sind knapp geworden. Große Konsolidierungen, wie in den letzten Jahren in der Bankenbranche, sind nämlich nicht zu erwarten. 

Der Grund: die anhaltende Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Diese werde, so sind sich Experten weitgehend einig, auch in absehbarer Zeit nicht geändert werden. Diese Politik macht Immobilienkredite jedenfalls günstig und mindert gleichzeitig die Attraktivität anderer Kapitalanlagen. Quentin: „Dies gilt, obwohl die hohe Nachfrage der Investoren zu steigenden Immobilienpreisen und damit niedrigeren Renditen führt.“ Das negative Umfeld wirke tendenziell belastend auf die Immobilienmärkte, aber: „Es dürfte in näherer Zukunft den Effekt der Niedrigzinsen nicht überwiegen“, so Jörg Quentin.

Manche Experten meinen sogar, dass die Immobilienwirtschaft von den wirtschaftspolitischen Instabilitäten profitiere. „Die Menschen kaufen in solch einer Phase Immobilien, da ist die Unsicherheit aus dem Weißen Haus oder aus London eher hilfreich“, meint Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel.

Wegen der niedrigen Zinsen ist ausreichend Liquidität am Markt. Deswegen laufen die europäischen Immobilienmärkte auch heuer auf Hochtouren, wenn auch möglicherweise keine Rekordwerte mehr erreicht werden.

Thomas Plettenberg / Messe München

Mehr als 60 Start-ups präsentierten sich heuer auf der Expo Real. Für die so genannten „PropTechs“, wie Immo-Start-ups genannt werden,  wurde heuer erstmals eine eigene Ausstellungshalle neu geschaffen. Mit dabei waren auch mehrere PropTechs aus Österreich, etwa Planradar und Findheim.  Planradar hat sich auf die digitale Kommunikation und Dokumentation bei Immobilienprojekten und in der Baubranche spezialisiert. Die Baubranche im Speziellen ist eine der am wenigsten digitalisierten Wirtschaftsbereiche. Finheim hingegen setzt auf eine neuartige Vermittlung zwischen Käufer und Anbieter – ähnlich einem Matching wie es von Datingplattformen wie Tinder bekannt  ist.

APA/dpa/Angelika Warmuth

Eine Verschärfung der Mietpreisbremse und Enteignungen von Wohnkonzernen – was derzeit in Deutschland breit diskutiert wird, wird auch in der Immobilienbranche gehört. Manager rechnen damit, dass sich die Regulierung des deutschen Mietmarkts in Zukunft verschärfen wird – und andere Städte dem Beispiel des geplanten Berliner Mietdeckels folgen werden. „Wir haben uns deswegen aus einer geplanten Transaktion  zurückgezogen“, sagt Tony Smedley, Leiter des europäischen Kapitalanlagegeschäfts beim US-Immobilieninvestor Heitman.

Kurier/Gerhard Deutsch

„Der Klimawandel bringt neue Anforderungen an die Stadtplanung mit sich“, sagt Ashok Sridharan, Bürgermeister von Bonn und Präsident des Netzwerks „ICLEI - Local Governments for Sustainability“. „Städte sind komplexe Systeme, wo Energie, Transport und Infrastruktur stark verknüpft sind.“ Doch wie können Städte nachhaltig werden? Sridharan: „Neue Stadtteile müssen gemeinsam mit der Immobilienbranche geplant werden.“ Ein weiterer Vorschlag auf der Expo Real war etwa eine Klimasteuer auf Immobilien, damit Energieeffizienz beim Bauen gefördert wird. 

Denn: Die Transaktionen könnten noch mehr sein, wenn nicht zwei Faktoren diesen Investitionsboom limitieren würden: die Bauindustrie und der Mangel an passenden Objekten und Grundstücken. „Die Verfügbarkeit von Produkten ist der entscheidende Einflussfaktor, dass die Investitionsvolumina zurückgehen“, berichtet Jos Tromp, Chef der Research-Abteilung für Europa von CBRE.

Laut einer Umfrage der Expo Real im Vorfeld der Messe steht aber noch ein anderes Thema ganz oben auf der Agenda von Immobilienmanagern: bezahlbarer Wohnraum. Mehr als die Hälfte der Befragten gaben an, dass das Thema leistbares Wohnen der wichtigste Einflussfaktor auf die Immobilienwirtschaft in Europa sei. Erst dahinter, auf Rang zwei und drei, landeten die Themen Zinspolitik und Flächenmangel.

Diskussionen um Mietbeschränkungen in Deutschland

Der Anlass sind Diskussionen in Berlin um die Enteignung von großen Wohnkonzernen. Die deutsche Hauptstadt leidet seit Jahren an Wohnungsknappheit und exorbitant hohen Mieten. Daher kommt es, dass sogar politische Parteien die Überlegungen aufgreifen. Auch in den Hallen der Expo Real wurde über die Vorschläge und mögliche Beschränkungen der Mieten an mehreren Ecken durchaus kontroversiell debattiert. So gab es etwa am Stand der Stadt München eine Diskussion zwischen Vertretern der Stadtregierung und Bauträgern. „Wir müssen jedenfalls ein Auge auf die Regulationen in Berlin haben, wenn auch verschiedene Parteien verschiedene Vorschläge haben“, so Kai Mende vom CBRE Büro in Berlin.

Interessantes Detail: Laut Expo- Real-Umfrage traut die Hälfte der Befragten dem Markt und privaten Unternehmen immer weniger zu, gesellschaftliche Probleme zu lösen. 75 Prozent der Befragten empfehlen, verstärkt mit Kommunen zu kooperieren.

Was die Digitalisierung betrifft, gibt es in der Immobilien- und Baubranche ebenfalls noch Luft nach oben. Gerade im Bausektor werden Unmengen an Informationen generiert: Besprechungsnotizen, Pläne, Messungen. „Um aus diesen unstrukturierten Daten Gold zu machen, müssen die Daten strukturiert werden“, sagt Tech-Unternehmer Marc Bickel.

Auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) steht erst am Anfang. „Derzeit werden die Grundlagen für die Anwendung von KI geschaffen“, sagt Patrick Theis von Drees & Sommers, „selbstlernende Systeme lernen beispielsweise, Pläne zu lesen. Man muss sich vorbereiten, dass es hier in den nächsten Jahren zu Änderungen kommt.“

Wohnen
Gewerbe