Das Gründerzeithaus: nachhaltig und für Generationen gemacht

Das Gründerzeithaus ist nachhaltig. Es kann ressourcenschonend saniert und damit für Generationen erhalten werden.

Im Zeitalter von Klimakrise und Energiewende werden alte Werte wieder geschätzt. Das gilt ganz besonders auch für Gebäude und ihre Lebensdauer. Als extrem langlebig und damit nachhaltig und ressourcenschonend haben sich Gründerzeithäuser erwiesen. Errichtet wurden sie zwischen dem Revolutionsjahr 1848 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs und sie prägen noch heute das Wiener Stadtbild. Aber auch in ländlichen Regionen sind diese Häuser noch zu finden. Man kann also durchaus von einem Kulturgut sprechen.

Markus Swittalek

Adolf Loos plante mit dem „Looshaus“ am Michaelerplatz den Prototypen für ein modernes Haus

Haus mit Zukunft

Welch enormes Potenzial gerade auch für künftige Generationen in den Gründerzeithäusern steckt, hat sich Markus P. Swittalek für sein Buch „Das Gründerzeithaus“ genauer angesehen. Der Arbeitsschwerpunkt des Architekten liegt im Bereich Planen und Bauen im historischen Bestand, Denkmalpflege, Kulturgüterschutz und UNESCO-Welterbestätten.

Er schätzt an diesem Gebäudetyp vor allem seine Konstruktion: „Sie basiert auf Handwerkstechniken, die sich über lange Zeit entwickelt und verfeinert haben. Dabei wurden naturnahe Produkte aus regionaler Wertschöpfung verbaut wie etwa der Ziegel. Dieser Baustoff weist eine hohe Energieeffizienz auf. Er reagiert träge, kann daher im Sommer die Hitze gut draußen halten und umgekehrt im Winter die Kälte nicht so schnell hereinlassen. Ziegel ist außerdem ein gut umbaufähiges Produkt. Damit ist man in der Nutzung sehr flexibel.“

Wien Museum/Andreas Groll

Historische Aufnahme vom Palais Dreher  am Opernring 4 / Ecke Operngasse 8 in Wien, um 1864

Der Architekt bricht zudem eine Lanze für die Holzkastenfenster: „Im Gegensatz zu den Kunststofffenstern, die nach 25 bis 30 Jahren ausgetauscht werden müssten, können die Kastenfenster leicht saniert und repariert werden. Dafür wird kaum neues Material benötigt, nur die Arbeitszeit muss bezahlt werden.“ Kastenfenster gehören zu den ältesten Fensterformen. Sie zählen zu den Doppelfenstern, deren Idee darin bestand, mehrere Fensterflügel hintereinander anzubringen, um zusätzliche Wärmedämmung durch den entstehenden Zwischenraum zu erzielen.

Gutes Bauklima

Ziegel und Holzkastenfenster sind also wesentliche Faktoren für eine bauklimatische Qualität. Ein weiterer Faktor ist die Raumhöhe von mindestens drei Metern. Die Überlegung dahinter war zum einen die bessere Belichtung, aber auch eine „gesundheitspolitische“, wie der Buchautor erzählt: „Mehr Raum bedeutet mehr Luftaustausch.“

Jana Madzigon

Markus P. Swittalek, Architekt und Autor des Buches „Das Gründerzeithaus“

Von Investoren entdeckt

In den vergangenen 30 Jahren haben auch Investoren den Wert und das Potenzial von Gründerzeithäusern erkannt. Sie haben begonnen, die Gebäude in das 21. Jahrhundert zu führen – etwa mit Dachausbauten oder Aufzugs- und Garageneinbauten. Was den Häusern nicht immer gut getan hat, wie Markus P. Swittalek diagnostiziert: „Diese Häuser sind gutmütig und halten viel aus, aber man darf sie nicht überfordern.“

Schonungsvoller Umgang

Er ist auch Leiter des Lehrgangs „Sanierung und Revitalisierung“ an der Donau-Universität Krems und plädiert daher für „einen schonungsvollen Umgang mit diesen Immobilien. „Vieles, was zwar technisch möglich ist, kann aber zu Schäden führen, die oft erst nach 30 oder 40 Jahren sichtbar werden.“ Daher ist das Expertenwissen der Absolventen gefragt, die den Eigentümern und Investoren beratend zur Seite stehen.

Kral Verlag

Buchtipp

Markus P. Swittalek gibt in seinem neuesten Buch Einblicke in die Geschichte des Gründerzeithauses sowie seine Entwicklung. Er erklärt zudem das Potenzial dieses nachhaltigen Gebäudetyps für die Zukunft. Mehr als 500 Abbildungen zeigen historische Pläne und Abbildungen sowie gegenwärtige Beispiele.

„Das Gründerzeithaus. Bewahren. Restaurieren. Bewirtschaften.“, Kral Verlag, 376 Seiten, € 39,90

 

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