Fassadenbegrünung stellt einen effizienten Schutz gegen die zunehmende Hitze dar. Die Immobilienwirtschaft wünscht sich mehr Anreize dafür.
Nach einem Sommer der Naturextreme lässt ein ungewöhnlich heißer September vermuten: Die Folgen des Klimawandels werden immer deutlicher spürbar für jeden Einzelnen. Auch die Auswirkungen der lang anhaltenden Hitze auf die Gesundheit wird zur Bedrohung. Bereits 2022 starben in Österreich 231 Menschen an den Folgen der Hitze, in diesem Jahr geht die AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) von einem Anstieg auf 300 bis 500 Hitzetote aus.
Mehr Grün in den verschiedensten Ausprägungen ist ein Weg, um die Stadt und ihre Bewohner vor der Sommerhitze zu schützen. „Besonders gefährdet sind bei Hitze erwiesenermaßen Menschen, die in sehr dicht bebauten Stadtteilen mit wenig Grün leben müssen“, erklärt Susanne Formanek von der Initiative Grünstattgrau. Für die Begrünungsexpertin steht fest: „Intensive Fassadenbegrünung ist kein Goodie, es ist aufgrund der alarmierenden Zahlen unsere Pflicht, mehr Grün in die dicht bebaute Stadt zu bringen. Denn abgesehen von allen anderen Vorteilen ist die natürliche Kühlwirkung durch die Begrünung der schnellste und wirkungsvollste Weg, um die Folgen des Klimawandels innerstädtisch abzumildern“, so Formanek.
Dem stimmt Landschaftsarchitekt Karl Grimm (Kammer der Ziviltechniker, Architekten und Ingenieure) zu und weist darauf hin, dass damit der Versiegelung im ursprünglichen Sinne entgegengewirkt wird: „Die Versiegelung in Zusammenhang mit Böden meint den Wasserkreislauf, der unterbrochen wird. Begrünte Bauwerksflächen schaffen wasserdurchlässige Böden und zählen somit zu entsiegelten Flächen.“
Außerdem, so Grimm, wurde Bauwerksbegrünung früher als natürlicher Trockenmechanismus für sonst feuchte Kellerflächen verwendet. Auch über die gesundheitsfördernde Wirkung des Grüns sind sich die Experten bei einem Pressegespräch zum Thema „Todesfalle Sommerhitze – Gegenmittel Gebäudebegrünung“ einig.
Doch Fassadenbegrünung sei mittlerweile „schwierig, wenig praktikabel und teuer“ so Hansjörg Ulreich, Bauträgersprecher der WKO. Die Stadt Wien fördert Fassadenbegrünung mit maximal 5.200 Euro, grüne Dächer mit bis zu 20.200 Euro. Mit dem vorliegenden Entwurf der neuen Wiener Bauordnung würden „Entwicklungsmöglichkeiten für Bestandsgebäude dramatisch eingeschränkt“. Es gibt weitere andere Hürden. So verwies Grimm auf die Tatsache, dass der günstigste Weg, Fassaden via Rankpflanzen aus offener Erde oder Kellerfenstern zu begrünen, wegen brandschutztechnischer Einwände rechtlich nicht mehr gedeckt sei.
Ulreich fordert gerade bei Totalsanierung ein Anreizsystem, etwa über die Flächenwidmung oder auf Bundesebene über das Mietrechtsgesetz. Und mahnt: Ohne Sanierungsanreize gehe jede Entsiegelungs- und Begrünungsoffensive ins Leere.