Was auf einer Grundfläche von 50 Quadratmetern alles möglich ist, zeigen Architekten eindrucksvoll in Kleingartensiedlungen.
Warum baut sich jemand freiwillig ein pinkes Haus? Markus Taxer vom Architekturbüro Allcolours weiß es – er hat die Farbe mit ausgesucht. „Der Ton sollte die Eintönigkeit in der Kleingartensiedlung auf der Schmelz durchbrechen und dauerhafter Kontrast zum üppigen Grün sein, aber auch ein warmes Innenraumklima schaffen“, sagt er. Daher wurden mehrere Farben getestet: Grau war ungemütlich, Gelb ging im Herbst unter, also fiel die Wahl auf eine rot-pinke Kombi.
45 Quadratmeter und kein Esstisch
Die Farbwahl ist aber nicht das Ungewöhnlichste an dem „Flamingohaus“. Denn es umfasst nur 45 Quadratmeter Nettonutzfläche und keinen Esstisch. Die Besitzer – eine dreiköpfige Familie – wohnen zwar nicht ganzjährig dort, aber immerhin von Mai bis November.
Daher ist Haus aus Dämmbeton gebaut, aber nicht zusätzlich isoliert. Das war auch nicht nötig, denn der komplette Bau ist auf den Garten fokussiert. Taxer: „Dort findet sich auch der Esstisch unter einem Kirschbaum.“
Damit Outdoor-Bereich und Wohnraum ineinander verschwimmen, kann das komplette Untergeschoß mittels Fensterflügeltüren geöffnet werden. Genau das war auch der Wunsch der Bauherren. Der Architekt: „Die Familie hat eine Wohnung nahe der Kleingartensiedlung und will den Sommer im Garten verbringen.“
Run auf Kleingartenhäuser
Diesen immer stärker werdenden Wohntrend beobachtet auch Johanna Schuberth von Schuberth und Schuberth Architektur und benennt ihn kurzerhand mit „Patchwork-Wohnen“. Schuberth: „Der Terminus beschreibt geteiltes Wohnen, das in einer Stadtwohnung und im kleinen Häuschen mit Garten stattfindet.“ Beide Kühlschränke sind gefüllt und auch Geschirr sowie Kleidung müssen nicht hin- und hergeschleppt werden.
Für den idyllischen Zweitwohnsitz müssen Interessenten oft viele Jahre auf einer Warteliste zubringen. Übergeben werden die Parzellen im Kleingarten nämlich nur, wenn ein Pachtvertrag aufgelöst wird – und diese müssen für mindestens zehn Jahre abgeschlossen werden.
Erwin Rudolf plant seit über 30 Jahren Fertigteilhäuser für Kleingärten. Derzeit ist er für das Unternehmen Lumar tätig. Er weiß: „Der Run auf die Kleingartensiedlungen hat schon vor Jahren begonnen.“ Der Grund: Sie sind die letzte Option in Wien zu einem Haus mit moderatem Preis zu kommen. Die Kosten für ein Fertigteil-Kleingartenhaus beginnen laut Rudolf bei 290.000 Euro.
Wer eine Parzelle ergattert hat, darf sich vor Beschränkungen beim Bau in der Kleingartensiedlung nicht abschrecken lassen. Um einiges lockerer sind die Regeln in Gartensiedlungen.
Blickachsen schaffen Großzügigkeit
Firm mit Bauvorgaben in beiden Bereichen ist Architekt Thomas Moosmann. Er hat vor zwei Jahren das „Haus Lobau 2“ direkt am Mühlwasser der Au geplant. Jede Blickachse des Holzhauses geht in Richtung Wasser – das war der spezielle Wunsch der Bauherren.
Nicht einmal die Hochbeete im Garten sollten den Blick versperren. Daher mussten sie auf das Dach wandern. Wie wichtig eine gute Aussicht ist, weiß der Architekt nur zu gut. Schließlich wohnt er selbst seit 15 Jahren in einem Kleingartenwohnhaus mit Blick auf die Weinberge in Neustift am Walde.
Um jeden Quadratmeter auszunützen, hat er die Wände seines Kellers verglast und zum Wohnzimmer ausgebaut. „Das hat bestens funktioniert, weil das Haus in Hanglage liegt.“ Ansonsten müsse man trickreich werden. „In der Ebene ist das viel schwieriger. Da beginnen die Kunstgriffe.“
Jeden Millimeter nutzen
Von Kunst sprechen auch Karen Allmer und Florian Macke vom Architekturbüro allmermacke, wenn sie von der Planung des Kleingartenwohnhauses im Strombad Kritzendorf erzählen.
Dabei geht es den beiden weniger um Licht. Denn die Bodenplatte muss im Überschwemmungsgebiet 30 Zentimeter über dem hundertjährigen Hochwasserstand gebaut werden – und somit auf Stelzen stehen. Es geht vielmehr um die „Kunst alles auf kleinem Raum – konkret 37,5 Quadratmeter – unterzubringen“.
Ziel der Architekten war, die kleinen Räume so großzügig wie möglich zu gestalten. Dies ist gelungen, indem drei der vier Außenwände verglast und die Inneneinrichtung multifunktional und auf den Millimeter genau angepasst wurde. Karen Allmer: „Es ist ein Balanceakt eine Lösung zu finden, die stimmig ist, funktioniert und auch den Bauherren gefällt.“