Abschwung am Wohnungsmarkt: Was Immobilien noch wert sind

Der Wert einer Immobilie bestimmt sich durch verschiedene Faktoren, vor allem aber durch Angebot und Nachfrage.

Am österreichischen Wohnimmobilienmarkt hat nach einer langen Phase des Aufwinds eine Trendwende eingesetzt. Die Zinsen sind gestiegen, die Nachfrage am Wohnimmobilienmarkt ist eingebrochen und es ist sehr viel schwieriger geworden, Käufer zu finden. Unter dieser explosiven Mischung leiden momentan viele Immobilienunternehmen und Verkäufer, nicht nur in Österreich. Denn viele Objekte sind nun nicht mehr so viel wert wie noch vor ein oder zwei Jahren. Doch was bestimmt überhaupt den Wert einer Immobilie und wie wird er ermittelt? Das hat der KURIER Experten gefragt.

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Generell gilt: Bei der Bewertung einer Immobilie wird in der Regel der Verkehrswert ermittelt. Das ist der aktuelle Wert, der bei einem Verkauf erzielt werden kann. "Der Verkehrswert ist jener Wert, den eine signifikant große Nachfragergruppe bereit ist, zu bezahlen", definiert Immobilien-Sachverständiger Thomas Malloth von Malloth & Partner Immobilien Gmbh und betont: "Das sind jedenfalls mehr als nur zwei Personen." Eine oder mehrere Immobilien werden im Privatbereich immer dann bewertet, wenn es zu einem Verkauf, einer Schenkung, einer Versteigerung oder zur Aufteilung im Zuge einer Erbschaft oder bei einer Scheidung kommt. Doch auch Banken beauftragen Bewerter, das Gutachten ist hier die Basis für einen Kredit. Ein Bewertungsgutachten erhöht die Chance, beim Verkauf den realistischen Wert erzielen zu können. Das Gutachten bietet meist eine gute Verhandlungsgrundlage.

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„Der Verkehrswert ist jener Wert, den eine signifikant große Nachfragergruppe bereit ist, zu bezahlen.“

Es gibt verschiedene Bewertungsmethoden und strenge internationale Standards. Die Immobilienbewertung ist jedoch keine exakte Wissenschaft, sind sich die Experten einig. "Das Ergebnis der Bewertung hängt vielmehr von der Expertise des Bewerters ab", sagt Thomas Malloth, von seiner Erfahrung und seinem Fachwissen. "Man braucht lokales Wissen und Finanzmarktwissen", so der Experte. Denn nur wer vergleichbare Objekte kennt und weiß, wie sich diese bezüglich ihrer Mikrolage unterscheiden, kann sie auch vergleichen. Eine Besichtigung vor Ort ist essenziell. Schwieriger ist die Bewertung bei Objekten, wo kaum Vergleichsobjekte vorhanden sind, wie zum Beispiel beim "Goldenen Quartier“ in Wien. „Hier stößt man an die Grenzen der Bewertungslehre, da man mit der Vergleichsmethode nicht mehr arbeiten kann", gesteht Malloth ein.

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Bewertet werden Liegenschaften in einem Portfolio von Versicherungen, Banken, Stiftungen oder Immobilienkonzernen in der Regel alle sechs Monate, doch es gibt auch außertourliche Bewertungen, wenn zum Beispiel ein Liquiditätsengpass droht. Je nachdem, wie sich die Rahmenbedingungen entwickeln (Zinsen, Nachfrage, Angebot und Leistbarkeit), wird der Immobilienbesitz auf- oder abgewertet. "Momentan ist die Zinslandschaft so, dass sie Investoren in die Bredouille bringen kann", sagt Isabella Reinberg von der Reinberg & Partner Immobilienberatung GmbH. Die Rückführung des Darlehens sei mitunter nicht mehr vorstellbar.

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Auf- und abwerten

"Wenn die Nachfrager am Markt bereit sind, mehr für ein bestimmtes Objekt zu bezahlen, dann muss der Gutachter aufwerten", nennt Thomas Malloth ein Beispiel. Aber auch perspektivische Themen werden in die Bewertung miteinbezogen. "Das Unternehmen kann aber diesbezüglich vorsichtig agieren", indem es den Rahmen der möglichen Aufwertung nicht voll ausschöpft, sondern einen nachhaltig erzielbarer Wert festlegt. Dabei werden laut Experten auch EU-Taxonomie-Kriterien wie ESG (Environmental, Social und Governance Faktoren) berücksichtigt. Schließlich mieten Nutzer lieber Immobilien, die ESG-fit sind.  Unternehmen, die in den vergangenen Monaten und Jahren behutsam vorgegangen sind, auf nachhaltig erzielbare Werte gesetzt haben und eventuell stürmische Zeiten bereits eingepreist haben, tut sich in der momentanen Situation wohl leichter.

Michael Kobler

Eine Abwertung muss für ein Unternehmen nicht in jedem Fall zu einem Problem werden. Denn eine Immobilie kann trotz einer Abwertung nach wie vor mehr wert sein als beim Ankauf. Dabei kommt es darauf an, wie viel von den durch Aufwertungen erzielten Erträgen noch im Unternehmen vorhanden sind und welcher Anteil bereits ausgegeben wurde. Thomas Malloth geht derzeit für Österreich von einem Minus von 15 Prozent bei Wohnimmobilien aus, während im Vergleich dazu Logistikimmobilien nach wie vor stabil sind. Isabella Reinberg beobachtet vor allem im Bereich des Zinshauses sinkende Werte. Auch wenn Branchenkenner nach wie vor von stabilen bis leicht sinkenden Kaufpreisen für Wohnimmobilien in Österreich ausgehen, darf man nicht vergessen, dass selbst stagnierende Preise in Zeiten hoher Inflation mit einem satten realen Wertverlust einhergehen. Dennoch gilt es zu unterscheiden: Preislich relativ stabil sind vor allem neu errichtete Wohnungen und Einfamilienhäuser, während der Altbestand bereits eine je nach Lage mehr oder weniger deutliche Preiskorrektur erfahren hat.

Kosten

Wer wissen will, wie viel seine Wohnung, das Einfamilienhaus oder das Grundstück wert sind, kann eine Immobilienbewertung in Auftrag geben. Die Kosten des Gutachtens sind von der Art und Lage der Immobilie und vom Umfang des Gutachtens abhängig. Ein Kurzgutachten für eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus gibt es ab etwa 500 bis 600 Euro. Bei Wohnimmobilien, die viel wert sind, kann das Gutachten 2.000 Euro und mehr ausmachen.

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Was den Wert beeinflusst

Von der Lage über den Zustand bis zur Art der Mieteinnahmen: Bei Wohn- und Gewerbeimmobilien spielt der Ertrag, der erzielt werden kann, eine große Rolle, also die Mieteinnahmen. Bei Wohnimmobilien spielt es daher auch eine Rolle, ob die Miete gesetzlich gedeckelt ist.   Aber auch die Lage des Objekts, das Baujahr und der Zustand beeinflussen der Wert der Immobilie. Sind das Dach und die Fassade in schlechtem Zustand, muss man künftige Ausgaben für die Instandhaltung auch im Wert abbilden, weiß der allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige für das Immobilienwesen Gerhard Engelsberger vom Verband der institutionellen Immobilieninvestoren.  Eigentümer können die Wertsteigerung ihrer Immobilie durch Maßnahmen wie Sanierung, Modernisierung und Instandhaltung positiv beeinflussen. 

Doch nicht nur das Gebäude, auch die Liegenschaft, auf der das Haus steht, wird bewertet. Wie viel ein Grundstück wert ist, hängt auch von der Infrastruktur ab. "Befindet sich eine U-Bahn-Station vor der Haustüre, wirkt sich das positiv aus", so Engelsberger. Wird jedoch eine Autobahn in der Nähe des Objekts errichtet, sinkt der Wert der Liegenschaft. 

Es gibt verschiedene Methoden, wie all diese Faktoren bewertet werden.  Den Sachwert (was kostet es, dasselbe Haus heute noch einmal zu bauen?), den Ertragswert (was ist das Grundstück und die Immobilien wert sowie welcher Wert ergibt sich aus Einnahmen wie Miete oder Pacht?), den Vergleichswert und die Discounted-Cashflow-Methode  (es geht dabei um Gewinne und das Wachstum in der Zukunft).
 

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