Bauwerke auf der ganzen Welt tragen die Handschrift von Norman Foster. Diese Woche feierte er seinen 85. Geburtstag. Ein Porträt über ein Ausnahmetalent.
Klasse statt Masse, lautet ein Sprichwort. Bei Norman Foster muss es aber heißen: Masse mit Klasse. Mehr als 250 Werke hat er gebaut, vom Swiss Re (Gherkin) Tower in London bis zum Flughafen in Peking. Er wurde mit Architekturpreisen überhäuft und von Queen Elisabeth II. zum Ritter geadelt. Eine Karriere, auf die der heute 85-Jährige mit Stolz zurückblicken kann.
1935 als Arbeiterkind im nordenglischen Reddish geboren, wurde er zu Beginn der 1970er-Jahre als Architekt des Hauptquartiers von Willis Faber und Dumas in Ipswich, England, berühmt – ein offenes, umweltfreundliches Gebäude, das für seine Zeit radikal war.
1967 gründete er mit seiner damaligen Frau Wendy Foster Associates – heute bekannt als Foster + Partners und mittlerweile ein kleines Imperium: Neun globale Studios und mehrere Niederlassungen weltweit zählen dazu, wobei sich der Hauptsitz in London befindet.
Mehr als 1000 Mitarbeiter stellen unter seiner Regie Gebäude am laufenden Band her. Darunter das Elefantenhaus für den Kopenhagener Zoo, das Museum of Fine Arts in Boston oder einen Universitätscampus für Petronas in Malaysia. Außerdem Brücken wie die Millennium Bridge in London oder die längste Stahlbrücke der Welt, der Viadukt von Millau in Südfrankreich.
Mit dem Wembley Stadion in London hat Foster sich auch in der Welt des Sports ein Denkmal gesetzt. Selbst vor Kloschüsseln und Kaffeekannen macht sein Gestaltungsdrang nicht halt: Wer will, kann sich komplett mit Fosters Design einrichten.
Geht der Brite ans Werk, schlägt er gern die lauten Töne an. Nicht selten bedient er sich der sogenannten Signatur-Architektur, will Auffallen um jeden Preis. Der Hearst Tower in Manhattan etwa, Firmensitz der namensgebenden Hearst Corporation, ist ein Paradebeispiel für Signature-Architektur. Er gilt – wie viele seiner Bauten – als Sehenswürdigkeit und zieht jährlich Millionen Besucher an.
Dem Klischee des egozentrischen Star-Kreativen entspricht Foster trotz seiner kühnen wie kolossalen Großbauprojekte aber nicht. Er hat nie aus den Augen verloren, dass Architektur dem Menschen dienen und sich nach den Bedürfnissen der Benutzer richten muss.
Zum Beispiel der Flughafen in Peking: Er ist einer der größten der Welt und gilt zugleich als besonders einladend und benutzerfreundlich. Die nachhaltigen Aspekte seiner Architektur zeigen sich etwa bei der Apple-Zentrale im kalifornischen Cupertino, die mit regenerativen Energien betrieben wird.
Ästhetik und Ökologie verbindet er auch beim umgebauten Reichstag in Berlin, der aus einem eigenen, mit Rapsöl betriebenen Kraftwerk mit Energie versorgt wird.
Architektur, konstatierte Foster einst, sei für ihn nie Selbstzweck. Ihm gehe es immer auch um die soziale Dimension. Für Dharavi etwa entwickelte er einen Masterplan, um die Lebensbedingungen in dem indischen Slum zu verbessern. Und 2017 gründete er die „Norman Foster Foundation“ mit Sitz in Madrid, wo er seine Grundsätze nachhaltigen Bauens an Nachwuchstalente weitergibt.
Inspiration lieferte ihm stets die Luftfahrt. Dabei ist er immer Kind geblieben. Zum 75. Geburtstag machte sich der passionierte Vielflieger selbst ein Geschenk und ließ sich von 75 Flugzeugen, Hubschraubern und Segelfliegern, in denen er je geflogen ist, einzelne Modelle für seinen Wohnsitz in der Schweiz anfertigen.
Was einen guten Architekten ausmacht, beschrieb Foster einmal so: „Offenheit, Energie, Lust auf harte Arbeit und die Bereitschaft, neue Lösungen zu finden und Grenzen zu überschreiten. Sinn für Humor ist auch hilfreich.“ Eigenschaften, die auch er sich hoffentlich noch einige Zeit bewahrt. Denn ans Aufhören denkt Lord Foster auch mit 85 nicht: In Kuwait will er eine Stadt für 300.000 Bewohner realisieren. Und mit der Europäischen Raumfahrtbehörde erforscht er, wie man menschliches Leben auf dem Mond ermöglichen könnte. Die Entwürfe für künftige Mondhäuser stehen schon.