Die Leiterin des Vorarlberger Architektur Institut über Vorarlberg als Architektur-Pionier
KURIER: Vorarlberg galt lange als Vorreiter in der Architektur. Hat es diese Rolle noch inne?
Verena Konrad: Es geht immer um den Kontext, in dem Architektur entsteht. Insofern spreche ich hier nicht gern von einer Vorreiter-Rolle. Viel mehr bezieht sich die Vorbildfunktion auf bestimmte Qualitäten in der Architektur und ihren Partnerdisziplinen. Etwa auf die Art der Zusammenarbeit im Entstehungsprozess: wie ein Gebäude hinsichtlich Ideenfindung, Planung und Ausführung entstanden ist. In Vorarlberg gibt es eine gewachsene, sehr gute Kooperationskultur. Aus dieser Kultur erwachsen gute Gemeinschaftsleistungen.
Von außen betrachtet hat man oft das Gefühl, dass in Vorarlberg ein höheres Bewusstsein für Architektur vorhanden ist als im Rest Österreichs. Trifft das zu?
Das Qualitätsbewusstsein in der Bevölkerung und in den Gemeinden ist sehr hoch. Viele politische Entscheidungsträger sind sich bewusst, dass es nicht nur um das Gebäude selbst geht, sondern auch darum, wie das Gebaute ein Dorf bzw. die Stadt verändert. Es geht dabei auch um Raumplanung und Bodenpolitik, um Stadt- und Dorfentwicklung. In vielen Gemeinden gibt es außerdem Gestaltungsbeiräte für baukulturelle Fragen, die als Instrument der Reflexion eingesetzt werden.
Vor welchen Herausforderungen steht Vorarlberg hinsichtlich Bodenpolitik und Baukultur?
Die Probleme in Vorarlberg sind ähnlich wie überall in ganz Europa. Obwohl es Leerstand gibt, wird nach wie vor zu viel Fläche versiegelt und auch zuviel gebaut. Den Gemeinden muss vor Augen geführt werden, dass sie einen Teil der Verantwortung tragen. Schließlich sind Gemeinden die größten Bauherren. Deshalb sollten öffentliche Bauten wie auch der Umgang der öffentlichen Hand mit Flächenverbrauch und Baukultur ein Vorbild für private Bauherren sein. Die wichtigsten Aspekte für eine gute Entwicklung in Bezug auf diese beiden Schlagworte sind Gemeinwohlorientierung und Bildung.
Viele Architekten der älteren Generation haben in Wien bei Roland Rainer studiert. Wo wird die heutige Generation an Architekten ausgebildet?
Junge Architekten und Architektinnen sind offen und orientieren sich in verschiedene Richtungen: Wien, München, Zürich, Linz und Vaduz sind nahe Stationen, manche versuchen sich auch gleich international. Spezifische Schwerpunktsetzungen der (Aus-)Bildungsinstitutionen oder die Atmosphäre bestimmter Standorte sind wichtige Entscheidungsfaktoren für die Wahl des Studienortes. Es ist gut – das gilt auch für andere Berufe – die Heimat auch einmal zu verlassen, um etwas Neues kennenzulernen.