Stilvolles Wohnen während der vergangenen 100 Jahre zeigt das Buch „Interieur“. So wohnte man zwischen 1902 und 2016.
Um 1900 war die Gestaltung von Räumen Aufgabe von Architekten und Dekorateuren (Bild 1902: Landhaus in West Sussex, England, 1902 errichtet, Das „Little Thakeham“ genannte Landhaus wurde vom britischen Architekten Sir Edwin Luytens für den Auftraggeber Ernest Blackburn errichtet, Innen wie außen wurde die Grand-Manner-Ästhetik mit dem Tudor Stil verknüpft).
Erste Innenarchitektin
Das änderte sich mit Elsie de Wolfe schlagartig. Sie war Amerikas erste professionelle Innenarchitektin und hat mit viel Persönlichkeit ein neues Berufsbild ins Leben gerufen: das der Raumgestalter. Erst im 19. Jahrhundert kam der Begriff des Innenraums auf, der von der äußeren Hülle abgekoppelt war. „Dass einem Raum eine Bezeichnung zugewiesen wurde, bedeutete nicht nur den Beginn eines eigenen Berufsbildes, sondern auch die Entwicklung eines eigenständigen Raums“, schreibt Graeme Brooker, der Interieur-Design in London unterrichtet, im Vorwort zu „Interieur“. Die strenge Verbindung zwischen Außen und Innen wurde gelöst.
Coco Chanels Wohnung
So wurden bestehende Gebäude erstmals wiederverwendet und nicht abgerissen und neu gebaut, um Wohnraum zu schaffen. Ein Beispiel: das Interieur von Charles de Beisteguis (Multimillionär und Kunstsammler) Wohnung wurde ursprünglich von Le Corbusier entworfen. Von der Gebäudehülle her hätte man nie gedacht, dass im Inneren eine derartige moderne Ausstattung vorhanden wäre. Im Laufe des 20. Jahrhunderts ist das Innere schließlich zu einem fließenden Raum geworden, der keinerlei Verbindung zum Bauwerk hat. Die Geschichte des Innenraums ist damit zugleich auch eine Geschichte des Interieur-Designers und Innenarchitekten, der sich mit der Entwicklung neuer Wege befasst, wie wir in unserem Zuhause am besten leben können. (Bild 1920: Die Wohnung der französischen Modedesignerin Gabrielle „Coco“ Chanel lag über ihrem Haute-Couture-Salon in Paris, sie zeigt Chanels einzigartiges Gespür für Stil: klassisch, mit erlesenen Möbel- und Kunststücken)
Exzentrischer Touch
„Authentizität ist der Schlüssel zu gutem Design mit klassischem Vokabular, weil es sich nicht fälschen lässt“, schreibt der amerikanische Interieur-Designer und Autor David Netto im Vorwort zum Buch „Interieur“. Er ist der Meinung, dass es eine gute Zeit für Traditionalisten ist. (Bld 1949: Apartment in Paris vom Künstler Yves Klein, der für seine blaue Farbmischung, das patentierte International Klein Blue (IKB), berühmt wurde. Sein Apartment bewohnte er mit der deutschen Künstlerin Rotraut Uecker)
Gelungene Raumgestaltung
David Netto ist der Meinung, dass Medien wie Instagram für das erneute Interesse an traditionellen Interieurs verantwortlich sind. (Bild 1968: Dieses futuristische Interieur wurde vom Chemiekonzern Bayer in Auftrag gegeben und vom italienischen Designer Joe Colombo entworfen)
Schick, Regeln zu brechen
Traditionelle Räume stehen für Qualität, die es heute nicht mehr gibt. Außerdem haben traditionelle Räume einen exzentrischen Touch, das liegt laut Netto daran, dass es als schick gilt, Regeln zu brechen.(Bild 1980: Designer Tony Duquette und sein Geschäftspartner Hutton Wilkinson gaben dem Salon des Palazzo Brandolini in Venedig im Auftrag der Mäzenin Dodie Rosekrans ein neues Antlitz samt gewagter Farbgestaltung)
Zusammenarbeit mit Auftraggeber wichtig
Gelungene Raumgestaltungen waren und sind das Produkt enger Zusammenarbeit zwischen Raumgestalter und den Wünschen des Auftraggebers.(Bild 2010: Haus im Central Park, gestaltet von der Innenarchitektin Amy Lau. Ihr Ziel: Räume mit Vintagemöbeln lebhaft in Szene zu setzen)
Damals Basis für Beruf Raumgestalter gelegt
Aber: Das damals begründete Berufsbild Raumgestaltung wird heute als Kunst anerkannt. (Bild 2016: Die spanische Innenarchitektin Isabel López-Quesada hat für dieses Ferienhaus in Griechenland moderne Trends mit traditionellem Dekor kombiniert).
Buchtipp
„Interior“ zeigt, wie Design-Ikonen wohnen. Vorgestellt werden mehr als 400 Räume aus 25 Ländern. Erschienen im Prestel Verlag, € 71,00